laut.de-Kritik

Alle Verletzlichkeit dieser Welt, umspielt von Streichern.

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Die ersten Takte gehören einem klassischen Streichquartett und erinnern an die späten Meisterwerke Beethovens in diesem Genre: Ein lustiger Anfang, der zwar ein wenig in der Luft hängt, aber die schlimmste 'Zumutung' sozusagen vorweg nimmt. Denn "Love Comes To Me" entwickelt sich bald zu einem normalen Bonnie 'Prince' Billy-Song mit sanfter, eingängiger Melodie, gezupfter Gitarre, einem wunderbaren Gesangs-Duett mit Dawn McCarthy und, ja, und Streichern!

Bisher war das Unfertige, das Fragmentarische und Vorläufige herausragende Kennzeichen von Oldhams Musik, und so kann man sich vorstellen, dass dieser neue Perfektionismus bei der Produktion manchen eingefleischten Oldham-Fans schockiert. Zumal sich bald zeigt, dass dies kein Einzelfall ist, auch die meisten der folgenden Songs sind von einem vergleichsweise vollen, zum Teil fast ausproduzierten Klangbild geprägt. Wenn dieses einmal fehlt wie in "Cold & Wet", in dem Bonnie wie früher nur zu den Klängen seiner Klampfe jammert, merkt man deutlich, dass der Sound eben doch nicht nur eine Äußerlichkeit ist.

Tatsächlich hat Bonnie 'Prince' Billy dieses Mal eine komplette Band mit Bass, Drums und einer zweiten Gitarre am Start, außerdem ließ er sich von Ryder McChair und Nico Muhly feine Arrangements für mehrere Stücke schreiben. Dies alles tritt allerdings neben den wirklich umwerfend schönen Duetten mit der neuen Gesangspartnerin etwas in den Hintergrund: in fast allen Stücken umspielen oder kontrastieren sich die Gesangslinien von Will Oldham und Dawn McCarthy, hauptberuflich Sängerin der Faun Fables.

Ihren Höhepunkt erreicht die Zusammenarbeit mit "No Bad News". Hier singen die beiden wieder auf einer streichergrundierten und festen instrumentellen Basis, die sie nicht davon abhält, alle Verletzlichkeit dieser Welt in ihre Stimmen zu legen. Die mächtigeren Mittel, die Oldham hier auffährt, ändern offenbar nichts an seiner Auffassung, dass letztlich doch alles eitel und vergeblich ist.

Allerdings scheint er das nicht mehr so tragisch zu nehmen. "The Letting Go" ist keine 'Begleitmusik für den (misslungenen) Suizidversuch' wie frühere Scheiben, sondern ein beinahe fröhliches Album. Da erinnern wir uns noch einmal an den Titel des Openers und hoffen, dass er nicht nur singt mit der schönen Dawn, der alte Zottel ...

Trackliste

  1. 1. Love Comes To Me
  2. 2. Strange Form Of Life
  3. 3. Wai
  4. 4. Cursed Sleep
  5. 5. No Bad News
  6. 6. Cold & Wet
  7. 7. Big Friday
  8. 8. Lay And Love
  9. 9. The Seedling
  10. 10. Then The Letting Go
  11. 11. God's Small Song
  12. 12. I Called You Back

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