laut.de-Kritik

Die Schwermut der Platte erdrückt den Hörer förmlich.

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Können Pferde fliegen? In der Welt von Crippled Black Phoenix scheint alles möglich. Entsprechend startet auf dem Cover von "Great Escape" ein Klepper senkrecht gen Himmel. Ein Symbol für die Weltflucht des britischen Kollektivs? Die ausufernden Endzeitballaden klingen auch auf dem neuen Output zumindest stark danach. Zudem führte Bandkopf Justin Greaves seinen schwarzen Hund öffentlich spazieren. Er sprach offen über seine Depressionen. Diese offensive Haltung ist nur zu begrüßen. Bevor die Schwärze einen komplett einhüllt, hilft der Austausch immens. Wie lässt es sich besser in Kontakt treten als mit der universellen Sprache der Musik?

Die Rezeptur von Crippled Black Phoenix bleibt gleich. Der stete Wechsel zwischen postrockigen Longtracks, Ambient-lastigen Interludes und kürzeren, auf Pop-basierenden Songs prägt sämtliche Alben. Dazu gesellt sich ein starker Hang zu Pink Floyd auf musikalischer Seite. Was "Great Escape" nun gegenüber dem Vorgänger "Bronze" abgrenzt, ist, dass das Gewicht weniger auf doomig verzerrten Gitarren liegt und der sowieso schon mehr als genug vorhandene Raum mit mehr Ambient gefüllt wird. Die Band geht somit den umgekehrten Weg wie Long Distance Calling auf "Boundless". Konsequenterweise, denn die wahren Meister des Doom-Prog mit harten Gitarren heißen Oceans Of Slumber.

Die Faszination für Morricone dringt dabei vor allem im Titeltrack durch, der damit ähnlich wie "Stand And Alone" vom Vorgänger eine hymnisch-apokalyptische Wildwest-Szenerie heraufbeschwört. "Great Escape Pt 1" wartet zusätzlich mit der eindringlichsten Hook des gesamten Song-Zyklus' auf.

Die Schwermut der Platte erdrückt den Hörer förmlich. "Times, They Are A'Raging", mit seiner unverkennbaren Anspielung an den Dylan-Song im Namen, mäandert in Zeitlupe ins Ohr und nistet sich in den dunklen Hirnwindungen ein, wo Trauer und Verzweiflung Hand in Hand gehen und die Nacht zum Tag machen. Den doomigen Gleichklang lockern Piano-Kleckse auf, bevor das Tempo leicht anzieht. "Madman" lockt hingegen mit Dark Wave Stimmung und lädt fast schon zum tanzen ein.

Sprachsamples prägen den als Intro fungierenden Opener "You Brought It Upon Yourselves", der in seiner Struktur an "Internal Landscapes" von Anathemas Meilenstein "Weather Systems" erinnert. Gesellschaftskritik und persönliche Einstellungen erklingen als Einspieler zunächst nacheinander, bevor die Stimmen immer mehr ineinander fließen und in einem Gewirr enden. Willkommen im Land der Konfusion. Klar, die Platte strotzt vor Weltflucht und lädt zum Verweilen und Verzweifeln unterm Kopfhörer ein, aber hält gleichzeitig unserer zwielichtigen Welt, in der vieles scheint, aber nichts ist, den Spiegel vor.

Ein Manifest für den Tierschutz erklingt mit "Nebulas". Das Solostück von Belinda Kordic gerät eindringlich, nicht zuletzt aufgrund der Worte, die die eigentlich verschlossene Sängerin an den Hörer richtet: "Sorry for the fools who say that an animal can't understand or feel in any way. Sorry their blood runs so cold. Sorry they have no heart no soul. Sorry for all of your pain. Sorry for everything you have to face." Wenn euch demnächst ein Schnitzel mit tieftraurigen Augen anschaut, dann geht dies möglicherweise auf diese Zeilen zurück.

Der detailreiche Zähfluss benötigt seine Zeit um zum Hörer zu dringen. Während die einen vor Langeweile kapitulieren, dürften gerade Fans der früheren Werke der Postrock-Klangenthusiasten vor Freude die große Flucht mit antreten.

Trackliste

  1. 1. You Brought It Upon Yourselves
  2. 2. To You I Give
  3. 3. Uncivil War (pt I)
  4. 4. Madman
  5. 5. Times, They Are A'Raging
  6. 6. Rain Black, Reign Heavy
  7. 7. Slow Motion Breakdown
  8. 8. Nebulas
  9. 9. Las Diabolicas
  10. 10. Great Escape (pt I)
  11. 11. Great Escape (pt II)

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