laut.de-Kritik

Symphonic-Metal als Hollywood-Blockbuster.

Review von

Mit "Apocalypse & Chill" wollen die niederländischen Symphonic-Metaller Delain ihrem "Gefühl einer ungewissen Zukunft und der andauernd wachsenden menschlichen Gleichgültigkeit" Ausdruck verleihen. Dabei verweist das Cover auf Supertramps 1975er-Werk "Crisis? What Crisis?", das auf die klimatische Apokalypse anspielt. Die rückt mittlerweile so nah wie nie zuvor.

Und lauscht man im Opener "One Second" den brachialen, djentartigen Riffs, die immer wieder zwischen den eingängigen Gesangspassagen auftauchen, hegt man keine Zweifel mehr daran, dass es für Delain schon längst 100 Sekunden vor 12 ist. Viel besser präsentiert sich dennoch das anschließende, von kühlen Keyboardklängen, statischem Schlagzeug und nach vorne rockenden Gitarren getragene "We Had Everything": Denkt man sich alles Metallische weg, hätte der Track dank verführerischer Hook auch eine astreine 80s-Pop-Nummer sein können. "Chemical Redemption" zeigt in den Riffs dann wieder mehr Kompromisslosigkeit.

Leider gibt dieser Beginn ein Versprechen, das Delain auf Gesamtlänge nicht einhalten. Vielmehr verliert sich die Band zu sehr in Symphonic-Metal-Klischees, obwohl die Niederländer hier und da ihre Musik um elektronische Elemente erweitern. Aich die Lyrics glänzen nicht gerade mit kritischen Tönen, sondern entstammen eher dem Metallyrik-Baukasten.

Symptomatisch dafür steht "To Live Is To Die" mit stumpfem Stakkato-Geriffe und Weltuntergangschören, die direkt einem Hollywood-Blockbuster entsprungen sein könnten. Garniert wird das Ganze noch mit elektronischen Stimmeffekten, um es zeitgemäßer scheinen zu lassen. Etwas melodisch Greifbares sucht man dagegen vergebens.

Dass die Band Potential für packende Hooks besitzt, die auch mal die Grenze zum Kitsch überschreiten, hat sie längst bewiesen. Hier zeigt sie solche Fähigkeiten viel zu selten. Stattdessen legen Delain, was Härte und Bombast angeht, im Vergleich zu den Vorgängern noch eine Schippe drauf. So erweist sich die poppige, aber auch variable Stimme Charlotte Wessels' noch als mit das Interessanteste auf einem Album, das eher auf Effekthascherei setzt.

Vereinzelte Lichtblicke gibt es dennoch, etwa "Let's Dance": Der Song fusioniert knallige Riffgewitter mit einer noch knalligeren Hook, die Erinnerungen an Cyndi Lauper heraufbeschwört, so dass ein genialer Kontrast zum düsteren Text entsteht. Dieser lädt zum Tanz auf der glühenden Asche unserer Zivilisation. Mehr Mut zu Doppelbödigkeit und kompromissloser Poppigkeit hätten der Platte sicher gut getan. Schließlich waren sich Supertramp dafür auch nicht zu schade gewesen.

Danach bratzen die Gitarren zwar fett nach vorne und bedrohliche Chöre, Bläser und Streicher künden vom jüngsten Gericht, aber so richtig springt der Funke nicht, wenn sich die Tracks melodisch von Beyond The Black und Konsorten nicht abheben. Erst gegen Ende gewinnt die Scheibe wieder an Qualität.

"The Greatest Escape" nimmt zuweilen das Tempo heraus, so dass der emotionale Gesang und die hellen Pianotupfer optimal zur Geltung kommen. Die Nummer hätte in ähnlicher Form zwar von Nightwish stammen können. Der melancholischen Schönheit tut dies jedoch keinen Abbruch. "Combustion" fällt zum Schluss rein instrumental aus, legt dafür aber mit Artrock-Gitarrensoli und ungestümen Djent-Riffs noch mal richtig los.

Trackliste

  1. 1. One Second
  2. 2. We Had Everything
  3. 3. Chemical Redemption
  4. 4. Burning Bridges
  5. 5. Vengeance
  6. 6. To Live Is To Die
  7. 7. Let's Dance
  8. 8. Creatures
  9. 9. Ghost House Heart
  10. 10. Masters Of Destiny
  11. 11. Legions Of The Lost
  12. 12. The Greatest Escape
  13. 13. Combustion
  14. 14. Masters Of Destiny (Orchestra Version)
  15. 15. Burning Bridges (Orchestra Version)
  16. 16. Vengeance (Orchestra Version)

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