laut.de-Kritik

Nichts zu Lachen, in düsteren Post-Punk-Sphären.

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Das Album "A World Lit Only By Fire" markierte eine Rückkehr zu Godfleshs extremen und primitiven Wurzeln. Es war die erste Platte nach ihrer Wiedervereinigung von 2010. An "Post Self" arbeiten Sänger und Gitarrist Justin K. Broadrick, der bei der Band auch für die Elektronik verantwortlich zeichnet, und Bassist BC Green anschließend über zwei Jahre. Im Gegensatz zum Vorgänger schlagen die Briten mit diesem Werk nachdenklichere Töne an.

Veränderungen haben die ersten drei Songs jedoch nicht aufzuweisen. Hämmernde Drumcomputerrhythmen, präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, groovige Gitarren- und Bassläufe, die zum Tanz in einer heruntergekommenen Fabrikhalle einladen, und die vor Wut überschäumenden Shouts von Justin K. Broadrick prägen diese Tracks.

Man erwartet bei diesem überaus routinierten Beginn, dass die Scheibe so aggressiv und roh wie "A World Lit Only By Fire" ausfällt. Allerdings haben die restlichen Nummern mit Metal kaum noch etwas gemeinsam. Nur mit "Be God" lässt die Band eine brutale Sludge-Walze von der Leine, die in ihrer Kompromisslosigkeit ihresgleichen sucht.

Ab "Mirror Of Finite Light" dominieren vor allem melancholischer Post-Punk und New Wave das Klangbild. Die stoischen Riffs und die marschierenden Klänge des Drumcomputers beschwören in diesem Song ein schwermütiges Feeling à la Joy Division herauf. Weiterhin hat man die Stimme des Sängers und Gitarristen selten so niedergeschlagen wahrgenommen. Leicht verdauliche Kost bekommt der Hörer auf diesem Album keinesfalls serviert.

Dazu kreisen die Texte um die eigene Endlichkeit und Vergänglichkeit. Darüber hinaus befassen sich Godflesh mit schwierigen Familienverhältnissen, mit traumatischen Erlebnissen in der Kindheit und den Abgründen der menschlichen Psyche zwischen Obsessionen, Angstzuständen und Depressionen. Apokalyptische Endzeitszenarien malt sich diese Formation somit nicht mehr aus. Persönliche und emotionale Themen durchziehen die Scheibe.

Das Gitarrenspiel von Justin K. Broadrick orientiert sich in "The Cyclic End" an den frühen Killing Joke. Ebenso lässt sein klagender Gesang in dem Song Erinnerungen an Jaz Coleman zu Zeiten von "Revelations" (1982) aufkommen. "Pre Self" verweist dagegen mit seinen harten und monotonen Industrial-Sounds auf die frühen Swans.

Demgegenüber hört man in "Mortality Sorrow" und der erlösenden, sakral anmutenden Schlussnummer "The Infinite End" dystopische Synthies im Gary Numan-Stil. Ihre Experimentierfreude bewahren sich die Birminghamer also. Ihre Musik erweitern sie um spannende und aufregende Facetten. Außerdem zieht sich eine düstere Grundstimmung wie ein roter Faden durch dieses Werk.

Viel zu Lachen gibt es auf "Post Self" nach wie vor nicht. Dafür setzen sich Godflesh mit diesem vielseitigen Album über die Grenzen des Metals hinweg. Als einer der ersten Bands in diesem Genre haben sie zu Beginn der 90er Jahre Dub- und Elektronik-Elemente einfließen lassen, die man auf dieser Platte ebenfalls findet.

Mit dieser Scheibe beweisen die beiden Briten, dass sie noch längst nicht das Ende ihrer musikalischen und lyrischen Entwicklung erreicht haben. Ihr zweiter Longplayer nach der Reunion wirkt gleichzeitig so verspielt und dabei so atmosphärisch homogen wie einst "Pure" von 1992, das im Nachhinein weniger Staub angesetzt hat als das Debüt "Streetcleaner".

Trackliste

  1. 1. Post Self
  2. 2. No Body
  3. 3. Parasite
  4. 4. Mirror Of Finite Light
  5. 5. Be God
  6. 6. The Cyclic End
  7. 7. Pre Self
  8. 8. Mortality Sorrow
  9. 9. In Your Shadow
  10. 10. The Infinite End

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