laut.de-Kritik

Die kühle Balance der Gegensätze.

Review von

Zugegeben: Ein mit Alt-J tourendes, Folk- und Jazz-inspiriertes Electro-Trio, das sich feinfühligen und poetischen Darstellungen des Alltagslebens verschrieben hat, das hätte ich nicht auf dem Label von Skrillex erwartet. Doch hier sind wir – Hundred Waters veröffentlichen ihr drittes Studioalbum "Communicating" wie bereits den Vorgänger und Durchbruch "The Moon Rang Like A Bell" via OWSLA Records. Spuren auf dem musikalischen Schaffen seiner Schützlinge hinterlässt der WobWob-Lord aber (glücklicherweise) nicht: Hundred Waters bleiben bei vielfältigem Elektropop mit homogenem Sound und einzigartiger Atmosphäre.

Das grundlegende Rezept basiert auf einem Piano, das melodische Grundlage für die einzelnen Tracks stiftet und dann Stück für Stück mit zunehmend verzerrten und synthetischen Elementen weiter gelayert wird: Formlos säuselnde Synthesizer bauen auf klinische Drum-Computer auf, öffnen sich durch sporadische Anflüge von organischen Streichern oder Holzbläsern und die melancholische, hauchende Stimme von Frontfrau Nicole Miglis fügt alles zusammen, teils indem sie mittels Vocal-Loops zu einzigartigen Texturen gesteigert wird.

Doch trotz eines Pluralismus der agierenden Klänge steht "Communicating" zweifelsohne unter dem Banner der Harmonie. Gleichzeitig schwermütig und schwerelos, organisch und synthetisch, hoffnungsvoll und verloren finden Hundred Waters hier eine Leichtigkeit im überwundenen Pathos. Jedes Instrument, jeder Anschlag und jedes Wort fallen in einer beeindruckenden Synergie zusammen, nichts kontrastiert sich und alles wird im Fluss der unaufgeregten Melancholie eins. Ein Album wie ein überhörtes Seufzen.

Was schnell hätte monoton und langweilig geraten können, hält das Trio mit kompetentem und facettenreichem Songwriting spannend. Da sind nicht nur die einzigartigen Texturen, die auf Tracks wie "Parade" allein durch die Vielzahl unorthodox zusammengestellter Arrangements lebendig und dynamisch wirken, es finden sich auch immer wieder aufbrausende und poppige Momente in den Winkeln des Weltschmerzes: So treibt ein energetischer Bass "At home & in my head" in äußerst eingängiges, fast schon massentaugliches Territorium, nur um nach dem ersten Aufbrausen von Jazz-Piano abgelöst zu werden, das trotz völlig neuer Klangkulisse die Energie und den Rhythmus des Songs fließend weiterführen kann. Es sind diese kleinen Momente der musikalischen Finesse, die Hackentricks zwischen den Welten der hypermodernen und etwas betagteren Musik, die Hundred Waters so erfrischend wirken lassen.

Auch Songs wie "Prison Guard" punkten mit griffigen Refrains, während der Opener "Particle" bereits Pattern liefert, die in ihrem Electro-Pop-Appeal mit Acts wie The XX oder Fiona Apple mithalten. Die unstrittig stärksten Momente der Platte finden allerdings im letzten Drittel statt, wo sich das Tempo etwas verläuft und die reine Experimentierfreude an der musikalischen Textur in den Vordergrund tritt: Der Titeltrack "Communicating" stapelt repetitive, polyrhythmische Gesangspassagen von Miglis und sorgt für einen der schönsten, ungewöhlichsten Vocal-Momente des Albums. Auch das zunehmend formlose Entschwinden im Schlusstrack "Better" beherbergt eine fantastische Harmonie zwischen schwebenden Pianos, verschwindenden Streichern und einer Dunstwolke aus Reverb.

Ja, vielleicht fühlt sich das Album hier und da ein bisschen prätentiös und manchmal ein wenig unangemessen kühl gegenüber der Größe der Emotion an, aber vielleicht ist es ja gerade dieser Zugang zum Gefühl, dieser Kommunikationsprozess, den das Album verdeutlichen will. Und zeitgleich findet Hundred Waters eine beeindruckende Balance zwischen leisen Tönen und poppigem Aufbrausen, Unterkühltheit und Hoffnung, Klang und Textur, die "Communicating" zu einem fantastischen Album macht. Kontraste wurden selten so harmonisch gespielt.

Trackliste

  1. 1. Particle
  2. 2. Wave to Anchor
  3. 3. Prison Guard
  4. 4. Parade
  5. 5. At home & in my head
  6. 6. Firelight
  7. 7. Re:
  8. 8. Fingers
  9. 9. Communicating
  10. 10. Blanket Me
  11. 11. Better

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    schöne rezension! mit abstand mein lieblingsalbum im september, jeder song ist spätestens nach mehrfachem hören einprägsam und spannend. komisch nur, dass amazon das album erst ab 27. rausschickt... ich warte jetzt schon einen monat auf meine cd :/