laut.de-Kritik

Splash! oder Wacken? Kex Kuhl kann beides.

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Wenn sich Rapper von ihren Beats verabschieden, um fortan "richtige" Musik zu machen, hinterlässt das häufig einen faden Beigeschmack. Kritiker, die nichts mit dem Frühwerk anfangen können, heften der neuen Musik Adjektive wie "erwachsen" an. Alle anderen wittern Hochverrat an der Hip-Hop-Kultur und werfen dem singenden Rapper musikalische Einfallslosigkeit vor. "Stokkholm" ignoriert beide Äußerungen und glänzt stattdessen als Hip-Hop-Album, das unpeinlich musikalische Grenzen sprengt.

In der frühen Entstehungsphase schrieb Kex Kuhl die Texte zur Akustikgitarre. Mit den Demos ging es anschließend ins Studio, wo alle Songs mit Band umgesetzt wurden. Eine große Veränderung für einen Rapper, der sich in der hiesigen Battle-Rap-Szene mit Punchlines und klassischen Hip-Hop-Beats einen Namen machte. Alte Lieder wie "Terrakotta" zeigten, dass Kex Kuhl das mit den Gitarren schon immer mochte. Ein kräftezehrender Lebensabschnitt, zu dem der alte Sound nicht mehr gepasst hätte, brachte ihn nun zum Umdenken. Das Resultat ist eine Platte, die sich weder nebenbei noch mit angelegter Hip-Hop-Musterschablone hören lässt.

Kex' akzentuierter Vortrag passt zu den organisch klingenden Unterlagen noch besser als zu klassischen Hip-Hop-Beats. Dass er das halbe Album in einer Mischung aus Rap und Gesang bestreitet, wirkt da nur folgerichtig. Auf "Menschen II" fällt die Instrumentierung so spärlich aus, dass seine geflüsterten Zeilen beinahe als Acapella durchgehen. Der Intensität des Textes ist das zuträglich. An seine Wahnsinnsflows vergangener Tage erinnert "Höhlenmenschen", das die neu gewonnene Abwechslung unterstreicht.

Blumen steckt sich der gebürtige Augsburger trotzdem nicht ins krause Haupthaar, um über Klimawandel, Kriege und Konsumgesellschaft zu singen. Vielmehr tauchen zwischenmenschliche Inhalte in den Texten auf. Herzstück dieses Themenkomplexes ist die Song-Trilogie "Menschen", in der er erst Fuck Yous an alte Wegbegleiter und schlussendlich an sich selbst verteilt. Die Inhalte von "Stokkholm" gehen auf, weil sich Kex Kuhl nicht als moralische Instanz inszeniert, sondern eigene Fehler auch eingesteht.

Der 28-Jährige möchte sich auf die Menschen in seinem Umfeld verlassen können. Nicht umsonst ließ er sich "Friends don't lie" unter den Kehlkopf tätowieren. "Und das schönste Kompliment für diese Loser / ist es mich zu kennen und deswegen nennen sie mich Bruder", zieht er auf "Kompliment" dementsprechend über Menschen her, die einen weniger ausformulierten Wertekompass vor sich hertragen. Da wirkt eine Stalker-Hymne wie das titelgebende "Stokkholm" fast schon angenehm harmlos.

"Sohn" bietet sogar ein verspieltes Gitarrensolo auf, das auf dem Wacken besser funktionieren würde als auf dem Splash. Doch statt Hip-Hop lieblos in Rock zu übersetzen, gelang Kex und seinem Produzenten Alex Sprave ein schlüssiges Soundbild, das ein ganzes Album trägt.

Trackliste

  1. 1. Halb Acht
  2. 2. Müde
  3. 3. Stokkholm
  4. 4. Menschen I
  5. 5. Wein und so
  6. 6. Kompliment
  7. 7. Alte Götter
  8. 8. Menschen II
  9. 9. Höhlenmenschen
  10. 10. Cousin
  11. 11. Sohn
  12. 12. Menschen III

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