Der Reggae-Sänger bereut seine Teilnahme bei Band Aid 30 und kritisiert die Verantwortlichen. Jan Böhmermann legt nach.

Konstanz (mhe) - Seit der Veröffentlichung des Band Aid-Videos zur deutschen Version von "Do They Know It's Christmas" wird vor allem eine Schock-Szene des Clips heftig diskutiert. Gleich in der Eröffnungs-Sequenz sieht man eine abgemagerte afrikanische Frau, die an Ebola starb. Die Tote wird von ihrem Bett, das voll mit Fäkalien ist, aus der Wohnung getragen.

Nun hat Reggae-Musiker Patrice in einem öffentlichen Statement via Facebook seine Teilnahme bereut: "Nachdem ich nun das fertige Video zu 'Do They Know It's Christmas - German Version' gesehen habe, muss ich feststellen, dass meine Zusage zur Teilnahme wohl überstürzt war".

"Würde der gezeigten Frau missachtet"

Man habe ihm im Vorfeld zugesichert, die brisanten Bilder herauszuschneiden, die Patrice als "Charity Porn" beschreibt. Die Würde der gezeigten Frau werde völlig missachtet, beklagt er und fügt an: "Sie ist nicht einfach nur ein 'anonymes Ebola-Opfer', sondern ein Mensch mit Eltern, Freunden, Verwandten, vielleicht Kindern. Wie mögen die sich fühlen, wenn dieses 'anonyme Ebola-Opfer' weltweit so präsentiert wird?! Ich gehe mal davon aus, dass man sie nicht um ihre Erlaubnis gefragt hat."

"Zerstörerische Propaganda"

Auch das "Band Aid 30"-Logo mit den Konturen des afrikanischen Kontinents kritisiert Patrice als "im besten Fall gedankenlose Effekthascherei, im schlimmsten Fall Propaganda mit zerstörerischer Kraft". Ebola habe schließlich nur in drei relativ kleinen Ländern eines riesigen Kontinents epidemische Ausmaße erreicht. "Dass 99% des Kontinents nicht betroffen sind, wird durch das "Band Aid 30"-Logo komplett überlagert. Ebenso, dass zum Beispiel in Senegal und Nigeria Ebola erfolgreich bekämpft und bezwungen wurde, und zwar ganz ohne Hilfe von außen."

Zudem könne er nicht akzeptieren, dass der Hauptverantwortliche Bob Geldof Stars wie Adele ihre Nicht-Teilnahme öffentlich ankreidet. Manche Künstler zögen es halt vor, in aller Stille zu helfen.

Böhmermann mit Tirade gegen Eigen-Promo

Auch Neo-Magazin-Moderator Jan Böhmermann beteiligte sich gestern Abend am Shitstorm und verurteilte das Projekt aufs Schärfste als scheinheilige Eigen-Promo der Künstler. Denn fast alle Beteiligten haben ein Album oder ein Tour zu vermarkten, die meisten Musiker stehen zudem beim Label Universal unter Vertrag, dem auch die Rechte an dem Charity-Song gehören. Für Böhmermann ein gefundenes Fressen, er hat schließlich eine Sendung zu promoten.

Campino lässt Szene wieder rausschneiden

Mit-Initiator Campino von den Toten Hosen reagierte gestern mit einem Facebook-Posting, in dem er erklärte, man habe sich entschlossen, die strittige Szene nachträglich zu entfernen, schließlich sei mit 5,5 Millionen Klicks die Brisanz des Themas nun wieder allen bewusst.

Fotos

Patrice

Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Patrice,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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11 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Siehste, so kaputt und egozentriert sind die Menschen in unserem Land! Da muss man erstmal in nem als Charity-Beitrag gedachten Video eine afrikanische Frau posthum aufs Übelste entwürdigen, bevor unsere Landsleute überhaupt mal aufhorchen und ihre derzeit generalerhöhte Spendenbereitschaft in deine Richtung kanalisieren. So stumpf sind die alle schon, echt jetzt. Bravo, Campino, alles richtig gemacht und kommentiert!

    • Vor 9 Jahren

      Campino ist peinlich und die Leute in Deutschland würden auch ohne Schockszenen spenden. Hast du schon gespendet?

    • Vor 9 Jahren

      Die obige Aussage meinte ich recht zynisch und in Bezug auf Campinos Reaktion(en), dass es egal sei, ob der Song gut ist/viele Leute ihn scheiße finden. Genauso wie es egal sei, ob man die Schockszenen jetzt rausnimmt (und es dann tut...), weil man (durch die eingesetzten Mittel) das beabsichtigte Ziel, "Ebola wieder ins Bewusstsein der (deutschen) Menschen zu rufen", nach 5,5 Millionen erzielter Klicks ja bereits erreicht habe.

  • Vor 9 Jahren

    Patrice hat wohl nicht gecheckt, dass die ganze Aktion auch ohne entsprechende Szenen im Video eine übelst herablassende (wenn nicht sogar rassistische) Einstellung gegenüber Dritteweltländer transportiert, gekleidet im Charity-Gewand. Man kann es sich aber auch einfach machen und sagen, jeder gespendete Cent ist mehr Wert als die Kritik an solchen Songs.

  • Vor 9 Jahren

    Da war Hafti ja nicht der einzige dem Zusagen gemacht wurden die anschließend nicht eingehalten wurden.