Die erste Auskopplung aus dem fünften Zuhältertape macht exakt, was man von Kollegah hören will. Die Umstände stimmen nun wieder.

Düsseldorf (ynk) - Wir hatten hier im Haus historisch nicht immer die Fankappen für Kollegah auf. Zur einen Hälfte hat das damit zu tun, dass in den letzten Jahren seine affige Persona in realsatirischen Dimensionen mit ihm durchgegangen ist, zur anderen Hälfte damit, dass er doch desöfteren zu fragwürdigen musikalischen Entscheidungen neigte. Aber seien es die pseudo-epochalen Plastikbeats, die unsicher im Sattel sitzenden Flow-Pattern, die gewaltsam auf die Reimwörter gesteckten Texte, die Anstrengung, die Hooks - man muss neidlos anerkennen: Auf "Rotlichtsonate" findet sich keines dieser Probleme. Wer an Kollegah Freude hat, wird angesichts dieser neuen Single im Dreieck springen.

Die Wortspiele sind unserem prominentesten Sudoku-Rapper ja auch nie ausgegangen. Die Umstände, die das Gesamtprodukt genießbar machen, stimmen nun wieder. Die Stimmlage chillt, das Instrumental macht immer noch auf Pömp, wartet aber zumindest mit einer smoothen Bassline und einem ebenso entspannten Unterton auf. Wie sagt der Mann? "Glänzt durch Atmosphäre wie Meteoriten". Tatsächlich, erstmals seit vielen Kolle-Songs stimmt das wieder so. Klingt auch hier viel glaubhafter als damals, als er auf einem Fruity-Loops-Demo-Level-Plastik-Schranz-Gangster-Beat behauptete, seine Musik habe schon immer etwas "Beethoven-Artiges" gehabt.

Alle vier Zeilen ein Wie-Vergleich

Allem voran: Das erste Mal seit Jahren klingt der Mann richtig so, als habe er Hunger und etwas zu beweisen. Er scheint endlich aus dem Modus gesnappt, dass er wirklich ein römischer Imperator im Körper eines Düsseldorfer Discopumpers wäre, und macht wieder viel aus Persona und Inszenierung. Ob man die Einstiegs-Szene und die Video-Ballet-Frauen gebraucht hätte, sei dahingestellt, am Ende müssen die Lines überzeugen. Und die kommen hier von der Stange wie in seinen besten Zeiten.

Alle vier Zeilen ein Wie-Vergleich, über den man eine Sekunde grübeln und dann schmunzeln muss. "Immer noch Finger im Spiel wie der Zahnarzt von The Game", "die Vögel knicken schneller ein als Origamischwäne", "der Rest macht nur Fake-Streams wie mein künstlicher Wasserfall" und besonders "lese Tolstoi im Rolls-Royce und ficke deine Mutter": Was will man dagegen bitte einwenden? Es gibt eine sehr klare Formel, was man von Kollegahs Musik hören will. Man halte davon und von dem Kerl, was man will, aber dieser Song liefert exakt das ab. Wenn das Album dieses Level hält, dann könnte es regelrecht gut werden.

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Kollegah

Kollegah,  | © Selfmade (Fotograf: Laion) Kollegah,  | © Selfmade (Fotograf: Laion) Kollegah,  | © Selfmade (Fotograf: Laion) Kollegah,  | © Selfmade (Fotograf: Laion) Kollegah,  | © Selfmade (Fotograf: Laion)

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laut.de-Porträt Kollegah

"Kollegah macht Musik für alle, die sich cool fühlen wollen." "Geld machen und ausgeben, großartige andere Interessen hab' ich eigentlich nicht." "Vorbilder …

15 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    "Nur weil heute plötzlich nervt, was noch gestern spannend war, wird, was gestern schon genervt hat, nicht zwingend spannender."

    Kann schon sein, dass das sein bester Track seit 2015 ist, aber dann ist das doch trotzdem nur ein lauwarmer dritter Aufguss. Vielleicht bin ich auch einfach keine 16 mehr, aber selbst damals wäre mir wohl aufgefallen, dass kein Wortspiel auf diesem Track auf dem ZHT3 hätte stattfinden dürfen, ohne rot zu werden.

  • Vor 2 Jahren

    Horrorshow. Diese Pfeife soll die Finger vom guten alten Ludwig van lassen sonst gibt's Ultra-Brutales.
    Für immer und ewig 0/5

  • Vor 2 Jahren

    Ich bin noch verhalten euphorisch. Die Alphagene 2 Single habe ich auch sehr gefeiert. Doch auf Albumlänge gab es statt Melancholie, Wortspielen und eloquenter Zuhälterei dann eher Autotune, Kalendersprüche und Asche. Mal schauen, ob das diesmal besser klappt.