Tour de Force: Sampling-Vorkämpfer Pelham überholt Kraftwerk. Fremde Beats dürfen wieder kopiert werden.

Karlsruhe (mam) - Etappensieg für die Sampling-Kultur: Moses Pelham hat seit heute in dem über zehn Jahre andauernden Rechtsstreit mit Kraftwerk wieder die Nase vorn. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof 2012 zugunsten der Düsseldorfer Elektropioniere entschieden. Pelham legte eine Verfassungsbeschwerde ein, das BVG gab ihm heute Recht. Der Kunstfreiheit sei nicht genügend Bedeutung beigemessen worden. Über den Fall muss nun in oberster Instanz neu entschieden werden.

Wem gehört der Setlur-Song "Nur Mir"?

Die Parteien streiten seit 2004 vor Gericht darüber, ob Pelham 1997 ohne Erlaubnis eine zwei Sekunden andauernde Rhythmussequenz aus dem Kraftwerk-Titel "Metall Auf Metall" (auf "Trans Europa Express", 1977) kopieren durfte. Diesen Ausschnitt hatte er als Beat in Endlosschleife unter das von Sabrina Setlur gesungene Lied "Nur Mir" gelegt. Das Sampling von Stücken anderer Künstler ist ein wesentlicher Bestandteil der Hip Hop-Kultur. Ohne Sampling könne es seine Kunstform nicht geben, argumentierte Pelham. Von zehn Tonträgern seit 1989 enthielten seiner Meinung nach neun ein Sample.

Kraftwerk-Gründungsmitglied Ralf Hütter wirft Pelham wiederum Diebstahl geistigen Eigentums vor. Unter Kollegen würde man um Erlaubnis fragen, ließ er 2012 während der Verhandlung in Karlsruhe verlauten. Vor dem Bundesgerichtshof erreichte er damals in letzter Instanz, dass der Setlur-Song nicht mehr vertrieben werden darf.

Ein Etappensieg fürs Sampeln

Damals hieß es im Urteil, das kurze Sample sei weder gründlich genug verfremdet worden, noch habe Pelham die Elektrolegenden vorher um Erlaubnis für die Verwendung gefragt. Denn "die Nutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Urhebers ist nur erlaubt, wenn das neue Werk zu den entlehnten Tönen oder Klängen einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist", was bei dem Setlur-Titel anscheinend nicht der Fall gewesen ist.

Die Tracks im Vergleich

Dagegen haben Pelham und Setlur Verfassungsbeschwerde eingelegt. Etliche Produzenten und Musiker schlossen sich ihrer Beschwerde an, darunter Sarah Connor, Bushido und Gentleman. Ihr Ziel: Die Interpretation fremder Beats in neuem musikalischen Kontext müsse ohne Genehmigung möglich sein, um Hip Hop als Ganzes nicht zu gefährden.

Kein wirtschaftlicher Schaden für Kraftwerk

Der Bundesgerichtshof muss den Fall nun noch einmal bewerten, da sein letztes Urteil die Aspekte der Kunstfreiheit zu stark außer Acht gelassen habe, formulierte Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof. Es handele sich um eine sehr kurze Sequenz, aus der ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden sei, das Kraftwerk keinerlei wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", so Kirchhoff.

Die Entscheidung dürfte es erleichtern, sich ungefragt in fremden Werken zu bedienen. Ein fremder Beat dürfe nur kopiert werden, so hieß es vor vier Jahren beim BGH, wenn er nicht gleichwertig nachgespielt werden könne. Dieses Kriterium hielten die Karlsruher Richter nun für nicht geeignet.

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