laut.de-Kritik

Einfühlsame Skizzen über das Altwerden.

Review von

"Ich habe Musik nie als Karrieremöglichkeit betrachtet. Es war für mich kein Job, ich habe auch nie in diese Richtung geschrieben. Wahrscheinlich war das ein Fehler. Ich hätte viel mehr schreiben sollen, auch mit anderen zusammen", blickte der britische Singer/Songwriter 2012 selbstkritisch zurück.

Anlass war in gewisser Hinsicht ein Happy End: In Barcelona führte Nick Garrie zum ersten Mal sein Debüt auf, das er 1969 aufgenommen hatte, aber erst 2005 offiziell erschienen war. "The Nightmare Of J.B. Stanislas" hatte durch etwa 100 Exemplare, die 1970 in Umlauf gekommen waren, Kultstatus erlangt. Zwar hatte Garrie weitere Alben aufgenommen und 1984 mehrere Konzerte für Leonard Cohen in Spanien eröffnet - um seine Rechnungen bezahlen zu können, hatte die Musik aber nie gereicht.

Schade, wie seine vorliegende Scheibe, erst die dritte unter eigenem Namen, zeigt (vier weitere nahm er als Nick Hamilton auf, dem Mädchennamen seiner Mutter). Mit Akustikgitarre, dezenter Begleitung - Bass, Schlagzeug, Harfe und Streicher - sinniert Garrie über das Altwerden und zeichnet einfühlsame Skizzen.

Im Titeltrack etwa über Frau Brown, die nachts schlaflos ihren schnarchenden Ehemann betrachtet und sich überlegt, was in ihrer einst glücklichen Beziehung schief gelaufen ist. In "Bacardi Samuel" erinnert Garrie an einem trinkenden Bekannten, der dem Alkohol erliegt. "Lois' Diary" erzählt die Geschichte einer kurzen Liebesbeziehung, als eine Frau bei der Reinigung eines Flugzeugs in London ein Tagebuch findet, das sie dem Eigentümer in den USA zurück bringt.

Aus der Reihe fällt das frivol anmutende "Ma Petite Catherine", in dem der Erzähler auf Französisch und Englisch eine Beziehung beendet: "We won't need the priest because I'm going away. And I've got to tell you that life without you is not bad. Not bad, it's good. It's very good". Die Rückseite des Covers verrät, dass es sich um einen Song handelt, den er mit 15 geschrieben hat, sein allererster. Ein kleines Augenzwinkern also, bevor das Album mit der netten Fingerübung "Nick's Minuet" endet.

Der einzige Vorwurf, dem man Garrie machen könnte, ist, dass das Album bereits nach 27 Minuten beendet ist. Dafür dauert es dann vielleicht nicht mehr so lange, bis sein nächstes Werk erscheint?

Trackliste

  1. 1. Lois' Diary
  2. 2. The Moon And The Village
  3. 3. I'm On Your Side
  4. 4. Music From A Broken Violin
  5. 5. Early Morning In The Garden
  6. 6. Bacardi Samuel
  7. 7. Boy Soldier
  8. 8. My Dear One
  9. 9. Got You On My Mind
  10. 10. Ma Petite Catherine
  11. 11. Nick's Minuet

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LAUT.DE-PORTRÄT Nick Garrie

Obskurer Künstler, unter anderem Namen erfolgreich in Spanien, Leiter eines Ski-Resorts, Lehrer - die Biographie des Engländers liest sich wie ein Abenteuerroman.

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