laut.de-Kritik

Bern ist halt nicht Barcelona, zum Glück!

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Statt im Briefkasten landete die Sendung beim Zoll. Die dünne quadratische Verpackung aus der Schweiz war offenbar verdächtig, zumindest aus Sicht der Deutschen Post. Der uniformierte Beamte, der sie aus dem Nebenzimmer holte, schien dagegen neugierig. "Können Sie das Paket aufmachen?", fragte er, und reichte mir eine Schere. Zum Vorschein kam eine LP, doch mit dem Künstler konnte er offenbar nichts anfangen. "Viel Spaß damit", meinte er zum Abschied.

Eine interessante Erfahrung, schließlich ist Vinyl seit etwa zehn Jahren keine Seltenheit mehr. 2019 wurden in den USA sogar mehr LPs als CDs verkauft, zum ersten Mal seit 1986. Was nicht bedeutet, dass das schwarze Gold wieder auf dem Vormarsch wäre, im Gegenteil: Der Anteil von Vinyl am Umsatz mit aufgenommener Musik lag gerade mal bei vier Prozent. Streamingdienste wie Spotify und Apple Music machten dagegen 62 Prozent aus.

Die Vorfreude, die man verspürt, wenn man die Nadel auf eine Schallplatte senkt, kann die unbegrenzte Online-Verfügbarkeit aber nicht reproduzieren. So auch diesmal: Eine Akustikgitarre, Bass, eine tiefe unaufgeregte Stimme, bald begleitet von weiblichem Gesang - mehr braucht Pascal Gamboni im Opener "La Forza Da Surviver" auch diesmal nicht, um eine Klangwelt zu schaffen, die den Hörer sogleich umarmt.

Während der Vorgänger "Da Mai Se" (2018) eher nachdenklich wirkte, schwingt diesmal mehr Freude mit. Gamboni spielte wie gewohnt die meisten Instrumente selbst ein, kümmerte sich um Produktion, Abmischung und Gestaltung. Sein Aufnahmegerät immer einsatzbereit, schafften es diesmal auch wieder einige Freunde bei dem einen oder anderen Stück mit auf die Platte: der Bassist Rees Coray, der mit dem Gamboni 2016 das wunderbare Album "Veta Gloriusa" aufgenommen hatte, die Sängerinnen Astrid Alexandre und Ursina Giger, die Cellistin Isabella Fink. Letztere prägt das verträumte "La Glisch Dalla Glina", eines der besten Lieder.

Die Erinnerungen an Manu Chao kommen auch diesmal wieder hoch, dank rhythmischen Mustern und Liederstrukturen, die einfach, aber nicht simpel sind. Doch während bei Chao stets eine Großstadtenergie mitschwingt, geht es bei Gamboni gemächlicher zu.

Bern und Sedrun sind halt nicht Barcelona und Paris, was aber kein Nachteil ist, im Gegenteil. Auch er kann rocken, wenn er will, wie in "Valentina", "Vegi Paul Unics" oder "Super Fantastico", das er mit Severin Brugger und der Schlagzeugerin Eveline Rütschlin aufgenommen hat. "Il Flad Dil Mund" könnte stellenweise eine Ballade der Rolling Stones sein.

"Super Fantastico", das schnellste Stück, singt Gamboni auf Italienisch. Bis auf den Titel des Albums, den er hier zwischendrin einwirft, kommen vor allem das heimatliche Rätoromanisch und Englisch zum Einsatz. Wieder ein Album also, das im Herzen der Schweiz entstanden ist, aber nicht an der Grenze zu den Nachbarländern halt macht. Es sei denn, die Deutsche Post kommt ins Spiel. Aber da können Streamingdienste dann auch aushelfen. Allerdings funktioniert die Reihenfolge der Tracks auf Vinyl besser als online (oder der aussterbenden Spezies CD).

Cars salids!

Trackliste

  1. 1. La Forza Da Surviver
  2. 2. Te Ed Ju
  3. 3. Super Fantastico
  4. 4. All The Way
  5. 5. La Glisch Dalla Glina
  6. 6. So Good
  7. 7. Vegi Paul Unics
  8. 8. Herzig Is The New Cool
  9. 9. Bien Di Sera
  10. 10. Ensiamen
  11. 11. Valentina
  12. 12. Dampflok E Suffel
  13. 13. Il Flad Dil Mund

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