laut.de-Kritik

Ein Werk voller Wendungen, voller Ausgefeiltheit und voller Stil.

Review von

"Hello, I'm neurotic. Creating problems that don't exist." singt Andrea Zollo auf "Blue Lights". Stimmt Mädchen, denn mit diesem Monster-Album hast du kein Problem aufgebaut, sondern eins der überzeugendsten Post-Punk/Rock Alben der letzten Monate auf Platte gebannt. So lange du solche Probleme hast, kannst du von mir aus gern weiter neurotisch sein.

"The New Romance" ist ein Bombast. Ein Werk voller Wendungen, voller Ausgefeiltheit und voller Stil. Unüberhörbar ein Resultat von harter Arbeit, bei der sich die Band mit Produzent Phil Ek (Modest Mouse, Built To Spill, Les Savy Fav) für ihr zweites Album auf einer einsamen Pferderanch vor den Toren Seattles weggeschlossen hat. Es wimmelt von Einflüssen, die nur mit Mühe und einigem Streit unter einen Hut gebracht werden konnten. Und Pretty Girls Make Graves haben das Kunststück vollbracht, diese Einflüsse zwar klar erkenntlich einfließen zu lassen, aber dennoch ihren ganz eigenen Flow zu finden. Eine Band bringt ihre Musik genau auf den Punkt, den sie gemeinsam sucht. Es gibt keinen Hit, nur ein Album, das in sich stimmig ist.

Der Opener beginnt mit langsam verspielten At The Drive-In-Hommage und zündet dann kurzerhand in einem fast schon breeder'schen Mitsing-Refrain. Ab geht's in einem Instrumental Post-Rock-Teil, den ein groovendes Händeklatschen im Refrain ablöst. Das Auf und Ab, das Für und Wieder ist exemplarisch für einen Sound zwischen Fugazi und Sleater Kinney. In dieser Platte steckt so ziemlich alles drin, was in den letzten Jahren in den Sparten Intelligenter Punk, Emo und Indie-Pop veröffentlicht wurde. Da macht man inzwischen nicht mal mehr vor Elektronik halt und haut sogar zwei - wenn auch nur kurze - komplette elektronische Stücke mit in den leckeren Brei. Und zu guter Letzt darf noch der Dance nicht fehlen. Da können Pretty Girls Make Graves manchmal sogar Hot Hot Heat im Hüftschwingen und Mitwackeln Konkurrenz machen.

Beim ersten Hören wünscht man sich vielleicht noch, dass die Band hier und da mal endlich aus sich herausbrechen würde. Der gekonnte Aufbau setzt sich praktisch in jedem Song selbst ein Stop-Schild vor die Stirn, bevor es in die Schrei-Parts gehen würde. Nach und nach versteht man aber, dass die den Flow zerbrechen würden, die Eigenständigkeit dahinflöten ließen und dieser prägnant weichen weiblichen Stimme nicht das Wasser reichen könnten.

Nach Jahren der Enthaltsamkeit kommen nun endlich wieder einige gute Bands aus Seattle, dass seinen Grunge-Schönheitsschlaf so langsam überstanden zu haben scheint. Neben den durchgeknallten Blood Brothers stehen Pretty Girls Make Graves ganz oben auf der Seattle-Liste. Und spätestens nach diesem Monster-Album wird diese Liste bestimmt nicht mehr auf Seattle reduzierbar sein. "You aren't the one who fascinate us" heißt es in "The Grandmother Wolf". Wieder falsch, Mädchen, wieder falsch.

Trackliste

  1. 1. Something Bigger, Something Brighter
  2. 2. The Grandmother Wolf
  3. 3. Mr. Club
  4. 4. All Medicated Geniuses
  5. 5. Blue Lights
  6. 6. Chemical, Chemical
  7. 7. 7
  8. 8. The Teeth Collector
  9. 9. Holy Names
  10. 10. The New Romance
  11. 11. This Is Our Emergency
  12. 12. A Certain Cemetery

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