laut.de-Kritik

Wilson modifiziert seine Songs zum Soundtrack für Tea Time und Konsole.

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Nur wenige Tage nachdem Steven Wilson im August 2017 sein fünftes Soloalbum "To The Bone" veröffentlichte, erschien ein Computerspiel basierend auf einer Figur seines früheren Schaffens. Im Videoclip zu "Drive Home" von "The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)" erzählen Wilson und Kreativpartner (Lasse Hoile, Jess Cope) die Geschichte eines Witwers, der seiner bei einem Autounfall verstorbenen Frau nachtrauert. Spieleentwickler Massimo Guarini baute darauf auf und schraubte ganze zwei Jahre lang an einer Konsolen-Adaption. Wesentlicher Bestandteil des Games ist der Grundlage entsprechend der Soundtrack, den Steven Wilson selbst kuratierte und editierte.

Auch wenn ein Blick auf die Tracklist nahelegt, "Last Day Of June" würde 15 Neukompositionen des Prog-Großmeisters enthalten, ist dem leider nicht so. Zwar tragen die Stücke andere, dem Kontext des Spiels angepasste Namen, im Endeffekt sind es allerdings nur Instrumentalversionen von Stücken der ersten vier Wilson-Soloalben sowie einige Interludes aus dem Katalog von Bass Communion. Hier und da nahm Wilson Änderungen im Arrangement vor, sie halten sich jedoch in Grenzen. So ist "Routine" (hier: "The Last Day Of June") knapp eine Minute kürzer als das Original, weder auf Guthrie Govans Gitarrensolo noch auf den dynamischen Klimax vor dem Outro muss man verzichten.

Bei anderen Tracks konzentriert sich Wilson auf die Kernmelodie und unterwirft seine Songs der Filmmusik-üblichen Motivtechnik. "The Raven That Refused To Sing" etwa reduziert er auf ein anderthalb-minütiges Theme namens "Driving Home". Vielleicht auch, um die Stimmung nicht zu melancholisch zu gestalten. Denn auffällig ist, dass "Last Day Of June" vornehmlich "helle" Momente des Wilson-Werks enthält.

Für die Counterbalance bemüht Wilson einminütige Bass Communion-Schnipsel ("Suspended In Me", "Im Still Here", "The Crib", "Suspended In You", "Deceive"), ingesamt hat aber Harmonie absolute Priorität. Beispielhaft dafür steht "Under The Shadow Of My Father", eine Neubearbeitung von "Track One" ("Grace For Drowning") – der verstörende Noise-Part fehlt, stattdessen erklingt nur der feinfühlige Schlussteil. Durch die Absenz der Vocals entzieht Wilson seinen Stücken zusätzlich einiges an Tragik.

Tatsächlich fällt der weggelassene Gesang nicht sonderlich ins Gewicht. Man hat nicht das Gefühl, es würde etwas fehlen. Unter anderem natürlich auch deswegen, weil Wilson sehr genau weiß, welche Abschnitte seiner Kompositionen auch ohne Vocals bestens funktionieren. Als Kenner seiner Alben stellt man sich trotzdem unweigerlich die Frage: Warum sollte ich nun diese Versionen den Originalen vorziehen?

Wenn man nicht gerade selbst singen möchte oder eine Abneigung gegen die Gesangskünste des Herrn und Ninet Tayebs verspürt, gibt es darauf keine befriedigende Antwort. Für Wilson-Fans mag "Last Day Of June" zwar den besten Computerspielsoundtrack aller Zeiten besitzen, ein Argument, sich diesen noch zusätzlich als reine Audioversion zuzulegen ist das wegen der vorhandenen "Vollversionen" aber nicht. Es sei denn, man sucht immer noch nach Wegen, seinen Wilson-verweigernden Freunden die Musik des Briten unterzujubeln. Als Hintergrundbeschallung zum gemütlichen Nachmittagstee eignet sich "Last Day Of June" nämlich ebenfalls hervorragend.

Trackliste

  1. 1. Some Things Cannot Be Changed
  2. 2. That Day By The Pier
  3. 3. There Must Be A Way
  4. 4. The Last Day Of June
  5. 5. Suspended In Me
  6. 6. Driving Home
  7. 7. I'm Still Here
  8. 8. The Boy Who Lost His Friend
  9. 9. The Crib
  10. 10. Time For A New Start
  11. 11. Suspended In You
  12. 12. Under The Shadow Of My Father
  13. 13. Accept
  14. 14. Deceive
  15. 15. Together, Forever Again

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