laut.de-Kritik

Pop-Reggae, leicht und vergänglich wie eine Sommerbrise.

Review von

Sting und Shaggy - auf den ersten Blick mindestens ein so seltsames Paar wie Lemmon und Matthau. Hier der feinsinnige Schöngeist mit stets eleganter Stimmführung. Dort der vergleichsweise grobmotorische "Mr Boombastic". Doch Gegensätze ziehen sich an. Ihr gemeinsames Baby "44/876" bietet Jamaika-Feeling für die Urlaubsplaylist.

Respekt und Liebe bedingen diese zwölf Tracks als treibenden Kräfte. Es geht um die gemeinsame Hommage an Jamaikas Kultur im Allgemeinen und den Reggae im Besonderen. Bei Shaggy mag dies nicht sonderlich verwundern. Stammt er doch aus Kingston und gilt seit 25 Jahren als eine Visitenkarte karibischer Popmusik.

Doch auch dem blassen Engländer stach der Reggae schon immer ins Herz. Etliche Police-Stücke basieren ebenso auf dem sonnigen Rhythmus wie Solo-Nummern à la "The Seventh Wave". Genau in diesen Zusammenhang passt der kryptische Titel "44/876". Er steht konkret für die internationalen Vorwahlen Großbrittanniens bzw. Jamaikas und sinnbildlich für die Wegstrecke, auf der Reggae die Welt eroberte.

Die Lieder entstanden bei gemeinsamen Jams in Shaggys Heimat, fertig gestellt wurden sie in New York City. Hochkarätige Gäste wie Robbie Shakespeare, Machine Gun Funk oder Stings Gitarrist Dominic Miller legten mit Hand an. Als Produzent fungierte Shaun Pizzonia, Shaggys Langzeitpartner, der alle relevanten Hits wie "Boombastic", "Oh Carolina" usw. miterfand.

So erlesen das Team auch ist - die Platte selbst ist nicht über alle Zweifel erhaben. Zwei Drittel der Songs präsentieren zwar perfektes Handwerk. Man hört den Willen, Details so regionaltypisch wie möglich zu gestalten. Dabei springt indes zu oft gleichartiger Backförmchen-Reggae heraus, dessen songwriterischer Gehalt höchst überschaubar bleibt.

Diese luftigen Nummern wehen angenehm ins Ohr wie eine Sommerbrise, erweisen sich aber als ebenso vergänglich. Weitgehend klingt "44/876" beliebig wie eine Genreplatte unter vielen und lässt jegliche Individualität vermissen ("Morning Is Coming", "Don't Make Me Wait" oder "Just One Lifetime"). Sogar der Reiz einer Verquickung von Stings nuanciertem Womanizer-Falsett mit den basstiefen Shaggy-Vocals erschöpft sich recht schnell. Shaggys Gesang wirkt im Vergleich zu Stings Bandbreite im Ausdruck doch recht eindimensional.

Vor allem wenn Sting den Briten in sich anknipst und der Südsee eine Portion nordischen Hochnebels verpasst, springen bemerkenswerte Perlen heraus. "Waiting For The Break Of Day" verschmilzt Reggae mit wehmütigem Nachtpop. "Sad Trombone" klingt, als paare sich die Tropensonne mit Stings Klassiker "Sister Moon". "I guess I always be the sad trombone."

Als absoluter Killer reitet ihr "Crooked Tree" ins Ziel. Passend zum tragischen Text erschaffen beide ein kleines Drama, das Rastafari-Rhythmen mit melancholischem Seefahrer-Folk kreuzt. Sogar Shaggy bricht hier berührend aus dem eigenen Partylöwenkäfig aus und liefert eine emotionale Glanzleistung. Insgesamt taugt "44/876" als nette Chill-Platte für den Liegestuhl, gespickt mit ein paar Glanzlichtern.

Trackliste

  1. 1. 44/876
  2. 2. Morning Is Coming
  3. 3. Waiting For The Break Of Day
  4. 4. Gotta Get Back My Baby
  5. 5. Don't Make Me Wait
  6. 6. Just One Lifetime
  7. 7. 22nd Street
  8. 8. Dreaming In The U.S.A.
  9. 9. Crooked Tree
  10. 10. To Love And Be Loved
  11. 11. Sad Trombone
  12. 12. Night Shift

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