laut.de-Kritik

Das wär mal besser eine EP geworden.

Review von

Eigentlich gehts doch so: erst das Album, dann den Rest der Recordingsession irgendwann hinterher. Tarja machts umgekehrt. Das angekündigte neue Studioalbum "The Shadow Self" kommt im August. Zwei Monate vorher der ausgemusterte Überschuss namens "The Brightest Void". Klar betont die Urheberin: "Es ist mehr als ein Vorgeschmack. Es ist ein eigenständiges Album." Tja, fühlt sich aber nicht wie eines an.

Und diese Meinung vertrete ich nicht nur, weil ich es ob der Hintergrundgeschichte so vermutet hätte. Nö, die hab ich erst danach erfahren. Denn für drei Jahre Wartezeit seit "Colours In The Dark" wirkt "The Brightest Void" doch recht zerfahren. Ein bisschen Metal, ein bisschen Elektronik, ein paar Coversongs und als Rausschmeißer eine Within Temptation-Kollabo, die lediglich ein bisschen anders gemischt ist als die Version von 2013.

"No Bitter End" eröffnet das Album immerhin mit einem ziemlich coolen Riff. Der Ablauf gerät recht formelhaft, macht aber Laune. Im Refrain dürften HIM-Fans auf ihre Kosten kommen. Zumindest instrumental bleibt es auch in "Heaven And Hell" gut. Doch tut mir leid: Der Gesang geht gar nicht. Was Michael Monroe hier ins Mikro mault ist wirklich eine Zumutung. Tarja beschränkt sich aufs Backing, was man sich getrost ebenfalls hätte schenken können. Dafür entschädigen weder Mundharmonika noch Western-Blues-Jazz-Interlude.

Der nächste Gast bleibt dem Gesang glücklicherweise fern: Red Hot Chili Peppers-Drummer Chad Smith unterstützt "Eagle Eye". Der Track entpuppt sich als runde Hymne, die mit weiten Melodiebögen im Chorus aufwartet, im Endeffekt aber auch ziemlich glatt daherkommt. Da erweist sich das folgende, elektronisch basierte Doppel "An Empty Dream" / "Witch Hunt" als deutlich interessanter.

Vom Konzept erinnern diese ein wenig an Serj Tankian zu "Imperfect Harmonies"-Zeiten. Lauernd, einsam, experimentell, auf die Stimme zugeschnitten, aber auch nicht zu überladen. Gespenstisches Flüstern und Klagen kommen ab der Mitte "An Empty Dream" hinzu, gegen Ende schält sich Klavier aus dem Untergrund, reiht sich zunächst ein in den Spuk, verbreitet dann aber Hoffnung, bevor es zurück ins zuvor etablierte Beatpattern geht. Noch hermetischer gerät "Witch Hunt", dessen Atmosphäre pure Finsternis verkörpert und noch ein wenig intensiver ausfällt.

Zurück zum Metal: "Shameless" macht das solide, wenn auch nicht spektakulär. Allerdings klingt Tarjas Stimme im Refrain beinahe ein wenig angestrengt und dünn. Davon ist in den folgenden Coversongs zum Glück nichts zu hören. Sowohl McCartneys "House Of Wax" als auch den Bond-Klassiker "Goldfinger" meistert sie und kreiert tatsächlich Versionen, die sich vor dem jeweiligen Original nicht verstecken brauchen.

So teilt sich "The Brightest Void" gewissermaßen in fünf Abschnitte: Erst bedient Tarja das poppige Symphonic Metal-Publikum, dann wirds elektronisch - und deutlich besser! Danach wieder zurück auf Anfang, dann Coversektion und Recycling eines alten Songs. Leider merkt man diese Unterteilung dem Album, es klingt bruchstückhaft. Dazu kommt, dass von den Eigenkompositionen nur "An Empty Dream" und "Witch Hunt" wirklich taugen. Eine EP statt ein ganzes Album hätte auch gereicht. Hoffen wir, dass das 'richtige' Album "The Shadow Self" dann ausgereifter klingt.

Trackliste

  1. 1. No Bitter End
  2. 2. Your Heaven And Your Hell
  3. 3. Eagle Eye
  4. 4. An Empty Dream
  5. 5. Witch Hunt
  6. 6. Shameless
  7. 7. House of Wax
  8. 8. Goldfinger
  9. 9. Paradise (What About Us) [Tarja Mix]

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