laut.de-Kritik

Rock ist nicht tot. Sondern verdammt cool!

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"Rock ist tot!", schallt es immer wieder aus dem Blätterwald. Und das Gegenargument lautet meist: "Hör dich um – da draußen sind tonnenweise Bands, die dem Genre etwas Neues hinzufügen!" Dass es nicht immer 'etwas Neues' braucht, um den Rock am Leben zu halten, zeigen The Temperance Movement seit ihrem eindrucksvollen Debüt vor fünf Jahren. Die Briten setzen auf traditionelles Soundgewand, sind von Altbackenheit dabei so weit entfernt wie nur möglich. Daran ändert sich auch auf "A Deeper Cut", dem bislang vielseitigsten Album der Band, rein gar nichts.

Zur vermeintlichen Irrelevanz seiner Band in der modernen Musiklandschaft hat Gitarrist Paul Sayer stimmige Worte parat: "Der Mainstream hat vielleicht entschieden, Classic Rock ist uncool. Aber auch wenn irgendein trendiger DJ dieser Meinung ist, finden wir trotzdem noch, dass die Rolling Stones die tollste Band aller Zeiten sind. Es ist also verdammt cool!" In diesem Geiste legt man mit einem leicht angefunkten Sloppy-Riff und Tamburin in "Caught In The Middle" los und zaubert in "Built-In Forgetter" ein paar schicke Bluesrock-Soli aus dem Crunch-Kanal.

Die ersten drei Songs bestreiten The Temperance Movement forsch, lassen Stones-typischen Dreck im Sound zu, schalten in den Refrains aber um zu aufgeräumten Arenahooks. Mit dem Titeltrack "A Deeper Cut" öffnen sie dann ein neues Kapitel: Statt auf kratzige Jagger-meets-AC/DC-meets-Plant-Moves setzt Sänger Phil Campbell auf einfühlsame Klarstimme, Sayer tauscht Elektrische gegen Akustische und beschränkt sich auf entspannte Akkordbegleitung. Am Ende ergibt das eine erstklassige Ballade mit romantischen Feeling, aber ohne kitschige Liebeslyrik.

Das ändert Campbell im folgenden "Backwater Zoo". "Baby, I would give you all the tea in China / 'Cause you're the sweetest little honey bee that I've ever seen", eröffnet er in Elton John-Manier zu Pianoarpeggios. Kurz darauf groovt ein "Footloose"-Riff los – mit dieser herrlichen Unbeschwertheit könnten sie es problemlos auf den Soundtrack zum nächsten "Guardians Of The Galaxy"-Film schaffen. Wäre "Backwater Zoo" vor dreißig, vierzig Jahren erschienen, wäre der Song heute ein Klassiker. Vielleicht wird ers mit der Zeit ja sogar noch.

Denn auch wenn bei jedem Titel Parallelen zu Ahnherren bzw. Kollegen wie Faces, ZZ Top, Lynyrd Skynyrd und im ruhigen Bereich Ryan Adams offen liegen - The Temperance Movement setzen alles auf höchstem Niveau um. Mit Phil Campbell haben sie einen Frontmann, der sowohl mitreißend bewegungsintensiv als auch einfühlsam performen kann, Sayer und Matt White an den Gitarren agieren unaufdringlich, aber in den richtigen Momenten zupackend und die Rhythmusfraktion Nick Fyffe (Bass) / Simon Lea (Drums) klinken sich in die Vorlagen ein und kitzeln stets noch ein wenig mehr aus den Riffs heraus. Ohne diese beiden wäre sich etwa der Opener "Caught In The Middle" eine ziemlich dröge Angelegenheit.

Im Zusammenspiel aller Elemente bleibt "A Deeper Cut" über die gesamte Lauflänge spannend. Nach energetischem Einstieg entpuppt sich die Scheibe als dynamisches Auf und Ab. Während The Temperance Movement treffsicher die Stimmungen wechseln, gestalten sie die Songs nach hinten raus unmerklich immer ruhiger – der Closer "The Wonders We've Seen" fungiert letztlich wie ein Fade-Out in Songform, unmittelbar davor steht mit "There's Still Time" eine sanfte Klavierrock-Perle. Kann eine Platte romantische Signale aussenden? Ja, sie kann. Die perfekte Gelegenheit, die Liebe zum Rock zu erneuern.

Trackliste

  1. 1. Caught In The Middle
  2. 2. Built-In Forgetter
  3. 3. Love And Devotion
  4. 4. A Deeper Cut
  5. 5. Backwater Zoo
  6. 6. Another Spiral
  7. 7. Beast Nation
  8. 8. The Way It Was And The Way It Is Now
  9. 9. Higher Than The Sun
  10. 10. Children
  11. 11. There's Still Time
  12. 12. The Wonders We've Seen

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