laut.de-Kritik

Wilde musikalische Mixtur aus einem erschütterten Land.

Review von

Auf dem Cover präsentiert sich Yungblud in Zwangsjacken-Pose und sieht ein wenig aus wie Johnny Depp in "Edward mit den Scherenhänden": Das Spiel mit Identitäten ist Dominic Harrison, wie der Newcomer aus England eigentlich heißt, eingeschrieben und auch musikalisch inszeniert er sich als Hybrid. Yungblud vermischt wie ein verrückter Professor Hip Hop, Indierock und Ska und wartet wahnsinnig lachend, ob die Mixtur explodiert oder nur vor sich hin blubbert.

Beides ist auf "21st Century Liability" der Fall, zuweilen breiten sich die Tracks gefährlich aus wie "Machine Gun (F**k The NRA)" und manchmal irritiert der allzu eigenartige Kindergarten-Chorus mit eigentlich braven Radio-Melodien wie in "Die For The Hype". Die Schizophrenie des Albums, das zwischen frischen Ansätzen und angestaubten Strategien auf einem schmalen Grat wandelt, irritiert: Ist das nun bewusste Kalkulation oder abgebrühtes Ergebnis, wenn ein junger Musiker sich aus der langen Pop-Geschichte bedienen kann wie in einem Supermarkt?

Am besten ist Yungblud dann, wenn er wie entfesselt loslegt: Im treibenden "I Love You, Will You Marry Me" klingt das dann als würde Drangsal eine Ska-Hochzeits-Polka mit den (früheren) Arctic Monkeys tanzen. Das lakonische Storytelling eines Mike Skinner aka The Streets überführt er in "Polygraph Eyes" in einen wütenden Appell an einen Mann, der ein betrunkenes Mädchen von einer Party abschleppt und fordert: "Leave it alone, mate!". Yungblud passt mit seinem Sound-Mix gerade sehr gut ins Königreich, das zwischen explodierenden Mieten, Brexit-Schmieren-Komödie, wachsender Obdachlosigkeit und Hipster-Vintage-Quatsch ebenfalls wie in einer Zwangsjacke gefangen scheint. In den besten Momenten schleudert Yungblud diesem Irrsinn seinen politischen Party-Pop entgegen, genährt von der vielschichtigen Musik-Geschichte seines Landes.

Harrisons Großvater (!) spielte bei T.Rex, sein Vater verscherbelte Vintage-Gitarren und der Sohn nutzt dieses Erbe für einen respektlosen und risikofreudigen Umgang: Britischer Pub-Indie wie ihn die Kaiser Chiefs pflegen trifft hier auf auf den Größenwahn von Kanye West- Womit wir wieder bei dem eigenartigen Irrsinn dieses Albums wären. Songtitel wie "Doctor Doctor", "Medication" oder "Psychotic Kids" nähren die Vermutung, dass hier nicht ein wirklich Wahnsinniger am Werk ist, sondern ein bewusst Agierender, der sich, wie im Albumtitel angedeutet, der "Liability" verpflichtet fühlt – was einerseits Verantwortung, anderseits Verpflichtung, aber auch Vermächtnis bedeuten kann.

Trackliste

  1. 1. Eulogy
  2. 2. Die For The Hype
  3. 3. Doctor Doctor
  4. 4. Medication
  5. 5. Machine Gun (F**k The NRA)
  6. 6. Psychotic Kids
  7. 7. Anarchist
  8. 8. I Love You, Will You Marry Me
  9. 9. Polygraph Eyes
  10. 10. Kill Somebody
  11. 11. California
  12. 12. 21st Century Liability

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