laut.de-Kritik

Das Ausland liebt diese kraftwerkische Gründlichkeit.

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Immerhin, in einer Welt voller unfassbarer Veränderungen, tut etwas Vertrautes ganz gut. Allein der Titel "More D4ta" von dem vierten Moderat-Album wirkt wie aus den Nullerjahren, als Leetspeak - das Vermischen von Buchstaben und Zahlen - eine ähem große Nummer war. Schaut man natürlich zwei oder dreimal hin, ergibt sich ein Anagramm aus "Moderat 4". Auch sonst bleibt alles im gewohnten Flow aus minimaler Elektronik und melancholischen Vocals.

"Fast Land" und "Prey" klingen wie Songs von vor zehn Jahren, als Künstler wie Pantha Du Prince und The Field mit einer Mischung aus Minimal Techno und Ambient den schrill nervösen Electro-Puls wieder auf Minimum senkten. Eine Art Trance, tatsächlich auf die Songstrukturen und nicht die Wirkungen von Substanzen in den Clubs zurückzuführen. Sanfter Techno für das Wohnzimmer und die teuren Kopfhörer. Das Runterchillen funktioniert tatsächlich immer noch. Augen zu und irgendwo an einer virtuellen Bucht mit künstlichen Farben aufwachen. Doch so entspannt auch alles sein mag, es kommt alles so wahnsinnig bekannt vor.

Nicht ein Ton, der nicht schon mal im Oeuvre von Moderat oder den Chill-Momenten Dominik Eulberg aufgetaucht wäre. Nach sechs Jahren Pause geht alles also wie gehabt weiter, allerdings ohne einen Überhit wie "Bad Kingdom", in dem endgültig der Song über den Groove triumphierte.

"More D4ta" geht wieder zurück in den Innenraum und wirkt vor allem traurig. Das Leitmotiv des Albums bleibt schließlich Datenmissbrauch und eine bedrohliche technoide Welt. Was liegt da näher, als den Vibe von Depeche Mode rüber zu copypasten und in die Soundbibliothek einzufügen. Mehr Dave Gahan-Gesangsstil geht kaum noch. Das Original wäre bestimmt nicht abgeneigt gewesen, hört man seine Begeisterung für deutsche Elektronik doch aus seinen Soloalben wie "Hourglass" heraus. Am Ende klingt sogar Thom Yorke heraus. So klänge als ein Mashup aus den charismatischen Künstlern. Dank Moderat und der tollen Stimme von Sascha Ring wird dieser Musiknerd-Traum Wirklichkeit.

"More Love" führt diesen "Kommt mir bekannt vor"-Reigen weiter. Wie eine düstere Version von den immer total unterschätzten Passion Pit und deren Mastermind Michael Angelakos. Der sang stets mit Serotonin-Bomben gegen seine schwere Depression an, Moderat geben sich lieber der süßen Niedergeschlagenheit hin. Es gibt schließlich keine Zukunftseuphorie mehr, wir sind keine Individuen mehr, nur noch Daten im allmächtigen Algorithmus. Diese Lakonie fängt "More4 Data" mit seinem langsamen Sog und einer gewissen Monotonie gut ein. Es ist aber auch die Düster-Version von nicht mehr ganz jungen Herren, die mit einem ältlichen Pessimismus und verständnisloser Skepsis auf diese digitale Gesellschaft schauen.

So gehen Moderat stoisch ihren eigenen Weg in ihrem Klanguniversum weiter. Die Superproduzenten verfeinern dabei alles noch einmal und klingen wie die besseren Remix-Künstler ihrer Vorbilder, aber stagnieren auch merklich. Die Trends bleiben außen vor, es geht einfach weiter mit der strengen, deutschen Klischee-Perfektion. Gerade das Ausland ist davon begeistert und liebt diese kraftwerkische Gründlichkeit. Jedes Bit wird mit allerhöchster Konzentration eingearbeitet und steht mit felsenfester Solidität noch in ein paar Jahren, wenn Hyperpop als kurzes Subkultur-Phänomen wieder verschwindet.

Trackliste

  1. 1. Fast Land
  2. 2. Easy Prey
  3. 3. Drum Glow
  4. 4. Neon Rats
  5. 5. Soft Edit
  6. 6. Numb Bell
  7. 7. Undo Redo
  8. 8. Doom Hype
  9. 9. More Love
  10. 10. Copy Copy

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4 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Dafür, dass die Platte doch merklich anders klingt als die letzten beiden - irgendwie rougher, analoger, in sich gekehrter - die ersten verständlichen Vocals tauchen in Track 5 auf und sind komplett dry - erstaunt mich die Eloge auf das Immergleiche hier doch ein wenig. Der letzte Satz über den Hyperpop entschädigt hingegen sowohl den mMn etwas unkonkreten Text als auch die vier Wochen Wartezeit darauf. Schönes Ding, Heidrich.

  • Vor einem Jahr

    Bin da erstmal bei ntrlydbstpi, klanglich ist der Unterschied zum Vorgänger sicherlich deutlich größer als zwischen 2 und 3 finde ich. Auffällig auch, dass relativ wenig Gesang dabei ist dieses Mal.

    Würde nach dem ersten Durchlauf aber auch erst einmal ne 3/5 geben. Bleibt für mich bis jetzt schon etwas hinter den Erwartungen zurück. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.

  • Vor einem Jahr

    Also zu Anfang hat mich die Platte vergleichsweise kalt gelassen. Aber nach mehrmaligem Hören hat's dann irgendwann klick gemacht, die ist echt ein Grower. Finde bis auf Soft Edit und Copy Copy alle Tracks allesamt sehr großartig. Klar, nichts auf Anhieb so catchy wie bei den Vorgängeralben, aber dafür stehe ich aktuell jeden Tag mit einem neuen Ohrwurm von irgendeinem Song davon auf. Wären Soft Edit und Copy Copy nicht, wär's für mich 'ne glatte 5 von 5.

  • Vor einem Jahr

    Ich finde das Album großartig. 4/5