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Till Lindemann "In Stillen Nächten - Gedichte"

Tod, Hass, Wut, Sehnsucht nach Liebe, Sadomaso, Schmerzen, Selbstzerfleischung - wer den düsteren Themenkosmos der Rammstein-Lieder kennt, wird von den Gedichten ihres Frontmanns zumindest inhaltlich kaum überrascht sein. Und wie die Auftritte Rammsteins von Kontrasten leben, etwa zwischen strengem Marschrhythmus und rosafarbener Fellweste, so gewinnt auch Lindemanns Lyrik in seinem zweiten Gedichtband "In Stillen Nächten" einen wesentlichen Teil ihrer Wirkung aus der Diskrepanz zwischen romantisch-dramatischen Inhalten und der überaus einfachen, teils kindlich naiven und oft in Paarreime gegossenen Sprache.

Mitunter wirkt Lindemanns Interesse fürs Abseitige oder Abartige bemüht und allzu sensationslüstern, etwa wenn er Marie Antoinette noch einmal köpfen lässt, um nekrophilen Neigungen Raum zu geben. Im Großen und Ganzen funktioniert seine Sprache aber auch ohne Krach und Feuer. Lesespaß oder Anlass zum Nachdenken ergibt sich vor allem dort, wo der Dichter die menschlichen oder weltlichen Abgründe und die Widersprüche des Daseins im Alltäglichen sucht und findet, wie in einem Gedicht zum Thema plastische Chirurgie mit dem Titel "Größer Schöner Härter" (zweite Strophe):

"Deine Titten sind nicht klein< br/>
Doch sollten sie vergrößert sein< br/>
Zähnewechsel im Gefräß< br/>
Implantate im Gesäß< br/>
Wangen straffen, Jochbein schnitzen< br/>
Sondermüll in Lippen spritzen< br/>
Nadel Faden Schere Licht< br/>
Ohne Schmerzen geht es nicht.
"

Kiepenheuer & Witsch, 160 Seiten, 16,99 Euro. Wertung: 3/5.

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