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Lily Allen - "My Thoughts Exactly"

Worum geht's?

In ihren Worten: um die Wahrheit. Lily Allen widmet ihre Sicht der Dinge ihren Töchtern, denen sie die cleveren Entscheidungen ihrer Mutter und die nicht so cleveren (von denen es vermutlich mehr gab) nahebringen will. Ihre thoughts exactly. Das ist strengstens wörtlich zu nehmen. Mit diagnostischer Schärfe nimmt sie ihre Charakterzüge auseinander, mit bemerkenswerter Sprachgewalt beschreibt sie unverkrampft auch die intimsten Momente. Allen handelt oft aus irrationalen Ängsten und tief in ihrer Kindheit verwurzelten Verhaltensmustern heraus.

In Essay-artigen Kapiteln um verschiedene Themen wie Kindheit, Liebe, Ruhm, Sex, Musikbusiness und Mutterschaft teilt sie ihre Erfahrungen aus den über 30 Jahren Achterbahnfahrt, die ihr Leben sind. Ihr Buch hätte eine Ansammlung voyeuristischer Exklusivitäten sein können. Lily teilt aber mit viel Freude am Detail ihren Ausflug in die glamouröse Welt der Reichen und Schönen. Sie erzählt so unglaublich viele Geschichten, für die vor zehn Jahren große Summen von der Tabloid-Presse an vermeintliche Vertraute geflossen wären (Ihr erster Freund etwa kassierte 80.000 Pfund für eine Schilderung ihres Liebeslebens).

Wie sie auf Tour mit Liam Gallagher in einem japanischen Hotelbett landet (herrlich ehrlich begründet mit den Worten: "That's who Liam was to me even twelve years later: that same cool dude. Obviously I shagged him."). Tage später bittet Gallagher sie, aufkommende Gerüchte zur Affäre wegen seiner damaligen Frau Nicole Appleton zu dementieren. Allen dementiert - und bereut es heute. Sie schildert, mit welchen Mechanismen aus Verharmlosungen, Vertrauensverletzungen und Dementi die Ruhm-Bubble jedes Wertesystem aushebelt.

Im Intro betont Allen beinahe verdächtig oft, dass es sich hier um die Wahrheit handele. Das macht zunächst misstrauisch, erscheint aber plausibel. Nicht nur weil viele Geschichten zu abgedreht sind, um sie zu erfinden (2008 täuscht sie eine Fehlgeburt vor, um die öffentliche Debatte um eine Abtreibung nicht ertragen zu müssen). Sondern auch weil sie bei der Herleitung solcher Entscheidungen, nicht zimperlich mit sich umgeht. "My Thoughts Exactly" schreit zwar "Mag mich!" aus jeder Papierfaser, spiegelt aber auch den Genesungsprozess einer psychisch instabilen Frau. Dass man sie am Ende nicht bemitleidet, liegt am britischen Humor und ihrer Wortgewandheit. Lily Allen ist eine starke Frau mit starker Meinung, die sie sich oft hart erkämpfen musste.

Wer hat's geschrieben?

Offenbar Lily Allen selbst - nur von einem "secret helper" ist in den Anmerkungen die Rede. Ob es sich um eine Metapher oder einen Ghostwriter handelt, ist unklar.

Wer soll's lesen?

Freunde britischer Musikkultur. Allens Netzwerk spannt sich weit in die Szene. Die Sicht ist stets betont weiblich und aus feministischer Perspektive sehr interessant. Es geht um die Dynamiken der Musikbranche, im gleichen Atemzug auch um weibliche Sexualität und wildeste Rock'n'Roll-Märchen.

Das beste Zitat:

"I hated that young, female singers were being reduced to objects of desire, and yet I wanted to be intensely desired myself. I was twenty-one years old with not much experience under my belt. I was messy, needy, narcisstic, fearful. I was outraged, outspoken, fearless. I was defensive one minute, I didn't give a shit the next."

Wertung: 4/5. Text von Laura Weinert

Lily Allen, My Thoughts Exactly, Blink Publishing, englisch, 368 Seiten, 14,34 Euro (Hardcover)

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