Ferris - "Ich habe alles außer Kontrolle"
Worum gehts?
Rapperbiografien gibts wie Sand am Meer, doch nun rollt endlich derjenige sein Leben auf, den man immer für den größten Freak von allen gehalten hat. Wenig überraschenderweise erzählt er eine todtraurige Geschichte von einer Kindheit, geprägt von emotionaler Verwahrlosung und Kälte, fehlenden Strukturen und der verzweifelten Suche nach Zuwendung, Zugehörigkeit und Liebe. Wie viele seiner Leidensgenossen, landet auch der vernachlässigte Junge, der sich hier erinnert, im Sumpf von Drogen und Kleinkriminalität, anders als die meisten kratzt er nebenbei aber auch seinen Namen in die deutsche Musikgeschichte.
"Ich habe alles außer Kontrolle" skizziert einerseits die stinkende Tristesse, in der dauerbreite Jugendliche hausen, andererseits die glitzernden Verführungen, Höhen und Tiefen, die das Entertainment-Business bereit hält. Es geht um Konsum, die Gründe dafür und um die Folgen, und es geht darum, wie einer, der nirgends hinzupassen schien, sein Happy-End letzten Endes im Spießeridyll fand. Haarsträubend absurde oder schlicht zum Brüllen komische Momente lockern die Tragik immer wieder auf, zum Glück. Anders wärs schwer auszuhalten.
Wer hats geschrieben?
Ferris MC gehörte über lange Zeit hinweg zu den ganz wenigen Gestalten im Deutschrap-Zirkus, denen man die plakativ vor sich hergetragene Underdog-Attitüde wirklich abgekauft hat. Solo und als Teil von F.A.B. und Deichkind hat er Hip Hop-Geschichte geschrieben, darüber hinaus ist er unter seinem bürgerlichen Namen Sascha Reimann als Schauspieler aktiv. Oder, wie er sich selbst beschreibt: "Ich war also ein Hip Hop und Electro hörender Punk in Leopardenleggings und weißen Breakdancehandschuhen, der im Bremer Szenetreff Schlachthof abhing und auch noch Theater spielte." Dieser Typ, so schien es zumindest stets, ist zu einhundert Prozent so kaputt wie er tut. Seine Lebensgeschichte, die er nun zusammen mit seiner Ehefrau Helena Anna Reimann aufgezeichnet hat, bestätigt diesen Eindruck.
Wer solls lesen?
Rap-Fans. Punks. Freaks. Kings. Vor allem aber: Menschen, die Kinder haben, oder mit den Kindern anderer Leute zu tun. Seht her, seht genau her! DAS passiert, wenn ihr euch nicht kümmert. Die Schäden, die fehlende Zugewandtheit in Kinderseelen anrichtet, sie sind gewaltig und lassen sich nur äußerst schwer reparieren.
Das beste Zitat:
"Aus schwarzen Stoffbahnen, die wir in einem Restpostenlager gekauft hatten, nähten wir uns Hosen im MC-Hammer-Stil. Zwar kamen die Ergebnisse unserer nicht vorhandenen Nähkünste eher wie volle Windeln daher, aber wir fühlten uns gut angezogen und absolut cool. Dazu kombinierten wir schwarze, dezent verwaschene T-Shirts. (...) Extra für diesen Abend ließ ich mir von einer Freundin Minidreadlocks verpassen, die wie kleine Antennen von meinem Kopf abstanden. Ich sah denkbar bescheuert aus."
Wertung: 4/5
Text von Dani Fromm
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