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Thomas Bohnet PR & Konzerte

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Thomas Bohnet: Weder noch, ehrlich gesagt. Kreativ? Ich bin endlich mal dazugekommen, mein Büro aufzuräumen, das Archiv zu sortieren, diverse CDs/Platten zu hören, Bücher zu lesen, die sich in den letzten Monaten/Jahren gestapelt haben. Depressiv? Nicht wirklich, obwohl mir es schon zu schaffen macht, dass ich weder Konzerte veranstalten, noch als DJ arbeiten kann. Nachdem ich mich 2018 gezwungenermaßen wieder selbstständig gemacht hatte, habe ich 2019 mit meinen Konzerten (Aufbauthemen) nur Geld verloren. 2020 sollte dann eigentlich ein gutes Jahr werden, da ich interessante Themen habe. Die Vorverkaufszahlen waren auch super.

2020 wollte ich 20 Jahre meiner Disco-Reihe TOUR DE FRANCE in München feiern. Große Geschichte mit 1.000 BesucherInnen in der Muffathalle. Tja, das findet nun am 26. März 2021 statt. Zudem sind mir einige lukrative DJ-Jobs weggebrochen. Richtig ärgern mich allerdings Leute im Bekanntenkreis/Kollegenkreis, die sich angesichts ihrer misslichen Lage (die ich ja auch teile), nun Verschwörungsgeschichten hingeben und auf Facebook Blödsinn posten.

Wie wird dich der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für euer Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Ich hoffe, die Lage normalisiert sich einigermaßen. Die Konzertbranche wird aber vermutlich einen weiteren Konzentrationsprozess durchmachen. Das heißt, die Marktführer werden noch stärker und mächtiger werden als eh schon. Bisher unabhängige, kleine und mittlere Agenturen werden entweder pleite gehen oder von den Riesen CTS Eventim und Live Nation geschluckt. Für kleine Agenturen oder Solisten wie mich kann es aber auch eine Chance sein, Nischen zu besetzen. Für diese Agenturen gilt es: durchhalten! Schlimm ist es leider für Clubs und kleinere Hallen. Für MusikerInnen und Profi-DJs sieht es ganz finster aus.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Bist du schon kräftig am Konzerte organisieren?

2020 habe ich nur noch eine Lesung mit Sven Regener im November geplant. Sonst habe ich nichts mehr vor, ist mir zu riskant, ob das stattfinden kann und unter welchen Bedingungen. Für 2021 plane ich gerade einige Shows. Generell scheint es so, als würde das komplette Konzertjahr 2020 dann 2021 wiederholt werden.

Rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Wenn die Beschränkungen derart restriktiv sind wie geplant, rechnen sich Konzerte sicher nicht. Mit 50 Leuten im Club, oder auch mit 400 in einer 1.000er-Location - das geht nicht. Da zahlt der Veranstalter drauf. Man müsste die Eintrittspreise drastisch erhöhen? Ob das geht?

Was kann man tun, um sich finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Ich kenne Leute, die suchen gerade andere Nebenjobs. Keine Ahnung. Ich habe zum Glück Rücklagen und noch einen kleinen Nebenjob. Kultur ist nicht 'systemrelevant', meinen eben viele Leute. Ich weiß aber nicht, wie man ein Umdenken einleiten könnte. Meine Metzgereiverkäuferin sagt zur Kundin: "Ja mei, auf Konzerte können wir ja verzichten." Mein Einwand, aber nur wenn man nicht davon leben muss als Veranstalter oder Künstler, hat dann wenigstens ein "Ach so" hervorgerufen. Während der Corona-Tage fällt mir gerade auf, dass junge Leute eigentlich gar nichts mehr ohne Musik machen können. Ob nun an der Isar rumhängen oder joggen, Yoga machen, Kraftsport oder Fußball-Tennis auf der Wiesen spielen - überall läuft Musik nebenbei aus Kopfhörern oder den Boxen. Für Produzenten und Vermittler fallen dabei meist nur Krumen ab. Also Musik ist nach wie vor wichtig.

Wie ist die Situation konkret für dich: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Genau das ist der Punkt. Man fühlt sich schon verarscht als 'Solo-Selbstständiger'. Mich ärgert vor allem auch die Willkür, nach der die 'Soforthilfe für Künstler & Co' verteilt worden ist. Leute, die schnell Anträge gestellt haben, also Schlaufüchse, haben Geld bekommen. Wenn man, wie ich, erst mal abgewartet hat, gab es nichts. Mein erster Antrag auf Soforthilfe wurde abgelehnt. Jetzt grade habe ich wenigstens über die Künstlersozialkasse 3.000 Euro erhalten. Ich meine, ich lebe zu 60 Prozent von meinen DJ-Einnahmen und selbst dem simpelsten Sachbearbeiter sollte doch klar sein, dass ich das ganze Jahr 2020 kein Geld mehr verdienen werde. Meine letzte Disco war am 13. März in Zürich (schon unter Einschränkungen).

Meine immer gut besuchte Party in München am 11. März hatte ich schon selber vorsichtshalber gecancelt. Mir fehlen übers ganze Jahr 2020 also mehr als die Hälfte meiner Einkünfte, die auch nicht so fett sind (bin ja nicht David Guetta). Ein Kultur-Schutzschirm wäre toll, ist wohl grade beschlossen. Aber ich bin gespannt, wie der aussehen wird. Künstlerhilfe beschränkt sich bislang auf Lippenbekenntnisse vieler Politiker. Vor allem hier in Bayern ist das nicht okay, was CSU und Freie Wähler veranstalten.

Thomas Bohnet arbeitet als Veranstalter und PR-Freelancer. Er ist Mitbegründer der Münchner Konzertagentur Target Concerts und betreibt als DJ seine French-Pop-Partyreihe "Tour de France".

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