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Screamo-Meme-Trap-Bimbo-Comedy

Um die Stimmungslage wieder etwas zu heben, widmen wir uns kurz einer Künstlerin, deren Musik mir in der vergangen Wochen mehr Spaß bereitete als 90 Prozent der Diskografien sogenannter Comedy-Rapper. Lil Marikos Debüt-EP, die Mitte März erschien, ist ein artistisches Statement, so absurd, dass man entweder spätestens nach der Hälfte kopfschüttelnd kapituliert oder sich binnen weniger Sekunden schockverliebt. Einen Mittelweg gibt es nicht, da bin ich mir sicher.

Mit ihrem Debüt parodiert Lil Mariko gleichermaßen die japanische Kawaii-Kultur, respektive den männlichen Blick darauf, wie das sexistische Bimbo-Rollenbild, das die Medien anhand von Frauen wie Paris Hilton oder Nicole Richie Anfang der 2000er popularisierten. Musikalisch gibt sie sich in einer Sekunde als hypersexualsiertes Pin-Up Girl, um in der nächsten zum um sich schreienden Goblin zu mutieren. Comedy, Spoken Word, Trap, Pop, Metal und Screamo springen Hand in Hand in den Shitpost-Mixer und verschmelzen zu einer unvergleichlichen Gratwanderung zwischen ernst gemeintem Empowerment und selbstironischer Karikatur, zwischen geschmackloser Meme-Musik und kompetentem, cleveren Songwriting.

Die vor kurzem mit einem Video aufgehübschte Single "Shiny" liefert ein Paradebeispiel dafür. Die Verses sind als solche nicht wirklich existent, vielmehr faselt Mariko mit aufgesetzter, versnobter White-Trash-Stimmlage urkomischen Nonsens ("I'm so shiny you can see me from fucking space, I'm out here blinding airplane pilots. Exclusive bitch, even my shit shiny). Die Hook ist ähnlich bekloppt, bleibt einem aber tagelang im Gehörgang kleben, und die Cherry on Top sind dann die gescreamten Vocals, mit denen das Ganze endgültig die Grenze zur Absurdität überschreitet.

Wem das nicht genügt, der findet auf dem knapp 20-minütgen Projekt außerdem einen Screamo-Beitrag über ungebeten erhaltene Dick-Pics und eine auf das Pegging von Catboys umgedichtete Version von Pop Smokes "Gatti". Nein, das ist kein Scherz, und ja, es ist absolut großartig.

Ist das objektiv betrachtet "gute" Musik? Nein. Wird diese Art von Musik gut altern? Eher unwahrscheinlich. Unterm Strich steht aber, dass dieses Mini-Album im Hier und Jetzt einen Heidenspaß macht, und das ist in der Welt des Hip Hop ja ohnehin erschreckend selten geworden.

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1 Kommentar

  • Vor 3 Jahren

    Ach so, um cleveres songwriting und um sexistische Rollenbilder geht's bei dieser Gülle also.
    Erinnert mich ein wenig ans Jahr 2003, als man B-Tigts "der Neger" unbedingt als kritische Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus verstehen wollte.