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Tschüss, Deutschrap

So zum Beispiel der Kollege Juri Steinburg von der JUICE. Der hat einen deftigen Abschiedsbrief an die Szene hinterlassen:

Und vieles, was da drin steht ist gut und richtig. Zum Beispiel die Kritik am Zusammenhalt, an der Solidarität und dem Idealismus der Szene. Oder an dem gänzlichen Fehlen einer solchen Sache. Trotzdem bin ich nicht gänzlich überzeugt davon, was hier eigentlich abschließend gesagt wird.

Die Dichotomie zwischen Underground und Mainstream ist ja wirklich abgedroschen wie sonst nichts, und es ist schrecklich ermüdend, wenn unter jedem Artikel, der sich über den Monolithen Deutschrap beschwert, jemand in den Kommentaren anrückt und auf die Existenz der Retrogotts, Sichtexoten und Dilemmas hinweist. Aber sie haben ja recht: Wem die großen Namen nicht passen, der hat alle Möglichkeit, sich binnen fünf Sekunden in die Das ist deutscher Rap!-Facebookgruppe zu verpissen, wo es ein ganzes, gesundes Ökosystem gibt, die Leute tatsächlich ziemlich solidarisch sind und auch die strukturellen Probleme der Gesellschaft zunehmend angesprochen werden.

Aber der Grund, warum Juri genauso wenig wie ich downsizen will, ist der, dass der glamouröse Deutschrap durchaus seinen Reiz hat. Man will ja eigentlich, dass das Ding auf der großen Skala funktioniert. Deswegen versucht der Monolith Deutschrapjournalismus schon das ganze Jahr, sich bei irgendwelchen populären Rappern ins Gewissen zu schreiben, die sie weder je gebraucht noch beachtet hätten. Aber Mero, Capital Bra, Loredana, Shirin David, Samra und SXTN sind von den meisten Hip Hop-Medien so unabhängig, dass auch dieser rührselige Abschiedsbrief ihnen wohl frontal am Allerwertesten vorbeizieht.

Alle Sympathien deswegen für Juri, dessen Frustration ich wirklich verstehe. Aber ist den Kopf in den Sand stecken wirklich die Option? Im Grunde sind wir auch erst ein paar Jahre davon entfernt, dass Hip Hop-Medien sich ernsthaft darüber aufregen, wenn weiße Rapper das N-Wort gesagt haben. Wandel kann nicht von heute auf morgen passieren. Aber der Einfluss, den konstruktive und sinnvolle Kritik langfristig haben werden, daran kann man doch eigentlich glauben, oder?

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