Prezident: Revisited
Wie gesagt: 36 Stunden Autofahrt in den letzten zwei Wochen. Genug Zeit, sich so einiges anzuhören. Zwei Stunden Klaus Schulze-Album, vier Stunden K-Pop-Geballer, sechs Stunden blökende Familienväter aus den Autos nebenan an der serbischen Grenze, ein Podcast über die Geschichte der Imkerei ... und irgendwann habe ich beschlossen, dass heute die Nacht der Nächte ist, in der ich mal wieder einen richtigen Prezident-Kick schiebe. "Kunst Ist Eine Besitzergreifende Geliebte": immer noch unglaublich. "Limbus": Er hat selten etwas Besseres gemacht als "Der Ewige Ikea". Und dann stand ich plötzlich um drei Uhr morgens vor diesem Viech:
Sofort War-Flashbacks. Der Dis-kurs. Ist Prezident rechts???!? Das wurde damals in zwei Wochen hirnmehlmahlend in den Boden gerammt, ohne richtiges Ergebnis, wir haben einfach beschlossen, es mehr oder weniger zu vergessen. Jetzt hab ich mir das Album noch einmal angehören und muss sagen: Vielleicht finde ich es ziemlich gut? Aber machen wir dafür zunächst etwas, das ich sonst tunlichst vermeide: Ich gucke mir mein Geschwätz von gestern an. Für rappers.in schrieb ich damals nämlich einen Monat nach Release:
"'Du hast mich schon verstanden' ist eine Platte, die gleichzeitig eine Diskussion händeringend einfordert und gleichzeitig das Konzept von Diskussion vor den Karren wirft. Prezident zeichnet immer wieder nachvollziehbare, authentische Perspektiven und fordert dann doch wieder mit vehementer Besserwisser-Attitüde und johlender Selbstgerechtigkeit eine Menge Antipathie auf sich. Eigentlich sollte es wenig überraschen, dass die Platte schlussendlich so versackt ist. Denn es ist schwer, ein konkretes Fazit dazu zu finden. Die Erfahrung ist schlussendlich weder gut noch schlecht, die Aussagen nicht hundert Prozent falsch, aber auch weit von etwas entfernt, das man so wirklich unterschreiben will. Es ist schlicht ein frustrierendes Album. Was will man machen; gewissermaßen erspart der Elefant im Porzellanladen ja auch den Zimmermann. Und vielleicht findet Prezident nach dieser anstrengend kleinlichen Auseinandersetzung auch wieder zu einer ausgewogeneren Themenpalette zurück."
Jetzt sind ein paar Jahre vergangen (die Bachelor-Zwischenprüfung klebt hoffentlich nicht mehr so schlimm an meiner Schreibe) und auch, wenn ich viel des damaligen Diskurses noch nachvollziehen kann: Es ist schon krass, wie angsteinflößend diese Themen mir damals vorgekommen sind. Vielleicht lag es daran, dass es für viele Deutsche ein oder zwei Jahre maximal nach einer großen neuen Welle der Politisierung kam. Man hat gerade erst angefangen, sich als Gegenbewegung zum Rechtsruck durch die AfD bewusster mit vielen Dingen zu beschäftigen, mit Feminismus, Black Lives Matter, Queerness.
War alles perfekt? Natürlich nicht. Aber für mich hat es das erste Mal in meinem Leben wie eine Zeit gewirkt, in der Leute Politikverdrossenheit und Zynismus ein bisschen überwunden haben und auf konkrete Ziele hinarbeiten wollten. Und so ist dieses Links-gegen-rechts-Klima entstanden, diese schnappatmende Mit-uns-oder-gegen-uns-Mentalität, und unter anderem ich bin Prezident voll übers Stöckchen gesprungen, weil er den Zynismus zurückgebracht hat. Dabei hat dieser Ekel eigentlich kaum etwas Schlimmeres gesagt, als man es ein paar Jahre später zwischen Linken auch so hören würde.
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