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Battlerap in Zeiten der Wokeness

Okay, das war sehr viel Gewäsch um einen alten Artikel, der eigentlich eine einigermaßen simple Aussage hat. Aber schließen wir es mit einer simplen Beobachtung ab: Deutschrap ist schlicht keine Einheit. Genauso, wie die aktuellen Charts mit ihren Kollegahs, Capital Bras und Rins Jugendkultur sind, gibt es immer noch genug Studentenrapper, die der eigenen Rucksack glücklich macht. Am Ende ist die Suche nach der Verantwortung eine Henne-Ei-Frage, die man kaum lösungsorientiert beantworten kann. Es gibt keinen Schuldigen, auch Plattitüden wie "mehr Bildung" oder "mehr Kampf gegen Sexismus" sind nur Halb-Lösungen, die bestenfalls langfristig Erfolg haben werden.

Die bittere Antwort auf "Was höre ich da?" heißt: Das, was ist. Deutschrap liefert, vielleicht mehr als jedes andere Genre, eine direkte und authentische Antwort darauf, was gerade mit dem Zeitgeist der Leute passiert, fragmentiert in die einzelnen Hörer-Demographien. Wenn sich Antonia Baum zugunsten ihres Seelenfriedens nicht mehr mit den Realitäten der Jugendkultur beschäftigen will, ist das ihr absolut gutes Recht. Am Ende geht sie wohl den richtigen Weg, indem sie eben keine Schuldigen sucht, sondern nur mit sich selbst ausmacht, welche Hörgewohnheiten und welche Auseinandersetzung mit der Gesellschaft sie für sich selbst rechtfertigen kann und will.

Jan Wehn schreibt in seinem Artikel über die Bequemlichkeit des Hip Hop-Journalismus' nicht zuletzt auch, er verfasse am liebsten nette Lobhudeleien auf Dinge, die er gut findet. Bitte, warum auch nicht? Vielleicht bräuchte es ja genau das: eben keinen Versuch, die Deutungshoheit über irgendetwas zu behalten, das man zunehmend weniger fühlt. Die Kids machen ihr Ding schon. Die, die mit Leidenschaft über Mero und Capital Bra reden wollen, haben schon lange ihre Wege und ihr Publikum gefunden, um das zu tun.

Wenn Hip Hop-Journalist x jetzt das Gefühl hat, zu diesem Thema nichts zu sagen zu haben, soll er doch lieber diese glühende Dendemann-Review schreiben. Oder über den Retrogott, die Sichtexoten, oder über Yung Hurn, SSIO oder Celo & Abdi. Die Authentizität eines Stückes Journalismus, das aus echter Notwendigkeit entsteht, wird immer seine Leserschaft finden. Diese Notwendigkeit kommt aber nur aus einer Ursache: aus echter, fanboyiger, nerdiger Liebe zu Musik.

Deswegen gab es ja die Fälle, in denen Kritik im Deutschrap in jüngerer Vergangenheit auch gut funktioniert hat: Prezident entzündete mit "Über Zwei Verschiedene Formen Des Gutseins" eine der ausuferndsten, aber interessantesten Verbalprügeleien des Jahres, in die sich von form/prim über Yo Grandma Fromm bis zu rap.de jeder eingeschaltet hat, der sich angesprochen und berufen gefühlt hat.

Selbst im Extremfall Absztrakkt, der sich quasi über Nacht in die komplette Untragbarkeit geschossen hat, funktionierte der Mechanismus überraschend smooth: Es wurde gar nicht so gewaltig skandalisiert, es wurden keine großen Ansagen gemacht. Absztrakkt verlor zurecht die Bühne, die im davor bereitwillig gegeben wurde. Keine Zensur, aber eine geschlossene und eindeutige Positionierung der Szene. Solches funktioniert, weil die Magazine hier nicht nur leidenschaftlicher sind, sondern auch verstehen, was passiert. Hier gehe ich tatsächlich so weit und sage: So sollte eine Szene mit solchen Situationen umgehen. Well. Das ist doch zumindest ein bisschen erbaulich, oder?

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