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Platz 11: "Sprünge", 1986

Bevor das hier in ein allzu chronologisches Ranking ausartet, überspringen wir aus gegebenen Gründen ein ganz bestimmtes Album und landen – ach wie urkomisch – im Jahr 1986 und bei "Sprünge" (oder wie Herbert es gerne genannt hätte: "Hoi".) Nach "4630 Bochum" badet Grönemeyer im Erfolg. Die Entscheidung, sich selbst auf dem Produzentenstuhl niederzulassen, hatte sich bezahlt gemacht, gleichzeitig wachsen Band und Sänger immer weiter zusammen. Im Ergebnis steht mit "Sprünge" ein Album, das klanglich wie kein zweites in den 80ern verwurzelt (oder gefangen) ist.

Vom noch immer relevanten Überhit "Kinder An Die Macht" abgesehen, knüpft die Platte weniger an der rockigen als an der synthetisierten Seite des Vorgängers an. Stücke wie "Nur Noch So" unterstreichen, dass Bassist Norbert Hamm auf "Sprünge" nicht nur an der Produktion, sondern auch massiv an den Programmings beteiligt war – der Klang ist dicht, und Grönemeyer lässt sich bereitwillig fallen, sieht seine Stimme längst nicht mehr in Konkurrenz zu den Instrumentalschichten engagierter Studiomusiker.

Dafür nimmt er aber auch in Kauf, die politische Dringlichkeit in "Tanzen" melodiös so zu verklausulieren, dass Refrainfragmente wie "Wir tanzen, tanzen, tanzen der ganzen Welt vor" die eigentliche politische Message ("Wir sind Christen, falten unsere Hände / Schließen dabei die Augen zu") zu überdecken drohen. Die nachgesagte Politisierung auf "Sprünge" ist weniger gewagt als feinsinnig. Mit Zeilen wie "Ein Lächeln liegt auf diesem Land / Grinst unerträglich ignorant" bewegt er sich haarscharf zwischen Ist-Analyse und Zeigefinger. Eine Gratwanderung, die ihm beim Bemängeln der "weiße[n] Überheblichkeit" als "Maß aller Dinge" heutzutage vermutlich wieder als Mainstream-Gutenmenschen-Gefasel ausgelegt werden würde.

Dennoch: Dafür, dass Grönemeyer hier in vollmundigen Phrasen den Stillstand der Kohl-Regierung anprangert, erweckt "Sprünge" zumindest musikalisch eher einen Auf-Nummer-sicher-Eindruck. Aha-Momente verstecken sich im halligen Gitarren-Orgel-Duo von "Angst" und in der Powerballade "Mehr Geht Leider Nicht" – die es aber schon zwei Jahre später in Form des verdammt ähnlichen "Halt Mich" in frischerem Gewand zu hören gibt. Pluspunkt: Tickets für die "Sprünge"-Tour gabs für selbst 1986 günstige 16 D-Mark.

Anspieltipps:

"Kinder An Die Macht", "Tanzen", "Maß aller Dinge"

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"Sprünge"*

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