Margarine
Okay, kommen wir zum Star der Show. Über K-Pop um 2020 zu sprechen heißt, über BTS zu sprechen, anders würde man den Elefant im Raum ignorieren. Die neue Single ist seit zwei Wochen draußen, sie heißt "Butter" und hat inzwischen schon 300 Millionen Klicks angehäuft. Sparen wir uns einmal mehr die Werkschau der diesmal gebrochenen Rekorde (ein Spotify-Rekord und ein amerikanischer Radio-Rekord sind aber dennoch imposante Zeugnisse ihrer weiter wachsenden globalen Dominanz) und wenden uns direkt der Frage zu: Kann die Nummer etwas?
Die direkte Assoziaton vieler Hörer war es, dass wir hier definitiv ein zweites "Dynamite" vor uns haben. Die englischen Lyrics, das Anlehnen an die tagesaktuellen globalen Trends, das Video, das nicht ganz so überkandidelt wirkt wie sonstige koreanische Videos. Stattdessen sehr viel Raum, sich auf die Performer einzulassen, sehr viele sehr griffige Motive und Hooks, ein paar sehr süße Videoshots. Keine Frage: "Butter" funktioniert. Wie geschmiert. Der Groove braucht nicht lange, um anzustecken, im Gegensatz zu "Dynamite" kriegen wir auch die sehr potente Rapline der Gruppe zu hören, vor allem die Übergänge zwischen den Songs sind wunderbar gelöst.
Eventuellige Kritik fällt dagegen kürzer aus, ein paar Vocals fühlen sich etwas blechern an, der Outro will etwas mehr Spektakel zünden als der recht simple Song es notwendig machen würde, hier und da klingt eine Line ein bisschen clumsy. "Ice on my wrist, I'm the nice guy / Got the right body and the right mind", "fresh boy pull up and we lay low / All the playas get movin' when the bass low", o-kay. Hier merkt man am meisten, wie sehr das alles ein Bruno Mars-Song hätte sein können. Wirklich von der Aufmachung bis zur Präsentation bis zum Text.
Diese Beobachtung führt zu meinem generellen Problem mit BTS dieser Tage. Egal, ob man im Fandom oder außerhalb schaut, es geht an diesem Punkt gefühlt nur noch um das Gewinnen. Keine Diskussion wird ausgetragen, ohne dass an irgendeinem Punkt die fraglos zahllosen Errungenschaften aufgebracht werden, der Neid oder die Missgunst thematisiert oder mit irgendwelchen Zahlen angegeben wird. Armys sind großartig darin, sich zu organisieren, Profile der Member zu schreiben, Theorien drumherum zu entwickeln, nur über eines wird kaum noch geredet: über die Musik.
Deswegen war ich gar nicht so überrascht, dass die Hauptzielgruppe der Band gar nicht mehr darüber sprach, ob sie den Song mochten oder nicht, als er erschien, sondern vor allem darüber, wie gut der sich wohl bei der amerikanischen Öffentlichkeit machen könnte. Diese Frage erscheint nur solange absurd, wie man darüber nachdenkt, dass der amerikanische Markt gerade der ist, der wirklich noch Errungenschaften für die Gruppe bereithält.
Das Ziel der Mission - vor allem unter Fans - war dieses Mal eindeutig, das amerikanische Radio auf Anhieb zu entern, noch ein Nummer-eins-Debüt ist das Minimum der Erwartung. Aber mögen sie denn den Song? Vermutlich, er ist ja kein schlechter. Sieht man sich all das aber in Kontext an, fühlt sich "Butter" immer mehr wie ein Mittel zum Zweck an. Es ist ein völlig strategisch designtes Produkt, gezielt darauf, die Zahlen zu maximieren. Die Fans werden nicht verarscht oder so, die Fans sind diejenigen, die diesen Blödsinn überhaupt erst anregen. Es sind Bayern München-Fans der K-Pop-Industrie, schlimmer als alle anderen. Geht es ums Spiel oder die dazugehörige Leidenschaft oder geht es nur noch um den nächsten Rekord, den nächsten Sieg?
Ich weiß nicht, vielleicht ist das mein Closet-Boomer-Mindset, aber wenn ich etwas an Stan-Kultur nicht mag, dann die Tatsache, dass Fans sich inzwischen kaum noch als Fans verstehen, sondern als verlängter Arm des Managements. Fans tragen die Bringschuld des Erfolgs. Dass daraufhin großes Geheul entstand, als "Good 4 U" von Olivia Rodrigo "Butter" auf Spotify von der Eins schmiss, überrascht kaum. Den Song einfach nur zu mögen, wäre an diesem Punkt nämlich kaum noch genug. Mag ich den Song? Ja, schon ein bisschen. Er ist ein grundsolider Popsong, und BTS sind in jeder Hinsicht zu kompetent, um einen schlechten Song zu machen. Aber fügt er der Poplandschaft irgendetwas Relevantes hinzu, wie BTS es mit ihren besten Songs früher einmal getan haben? Nein, nicht wirklich.
Wertung: 3/5
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