Metalsplitter: Die Wacken-Serie feiert Premiere

Gott hassen

Ein bisschen wirken Witch Club Satan übrigens wie die wahrgewordene Band aus dem hier schon einmal erwähnten Roman "Gott hassen" von Jenny Hval. Die Norwegerin erschafft darin eine Art fiktive Black Metal-Gruppe dreier Frauen, die sich mit ihren Performances gegen gesellschaftliche Strukturen, aber auch jene der Szene selbst auflehnt.

Nach der Lektüre können wir inzwischen eine klare Empfehlung aussprechen. Hval pendelt in dem Buch zwischen offensichtlich autobiographischen Elementen, fiktiver Romanhandlung und abstrakten Schreibexperimenten. Schon auf den ersten Seiten prasselt eine Flut an Eindrücken auf die Leser:innen nieder: Dorfleben im ländlichen Norwegen, jugendliche Awkwardness, Einsamkeit, Hass, Außenseitertum, Kunstverständnis, Darkthrone, Nazis, Schweigen, Religion, gesellschaftlicher Wandel von den 90ern bis heute, Frauen im Metal ... all diese Themen (und noch weit mehr) kommen mindestens kurz zur Sprache. In nahbarer Prägnanz beschreibt Hval gleich zu Beginn Zusammenhänge zwischen diesen Feldern und seziert dabei fast beiläufig treffend Kernpunkte der Black Metal-Szene – positive wie negative.

Ein wenig Ausdauer sollte man beim Lesen jedoch mitbringen. Je weiter man bei "Gott hassen" voranschreitet, desto (bewusst) ausufernder und diffuser wird Hval. Sie steigert sich zunehmend in die schwarzmetallische Performancekunst ihrer Protagonist:innen hinein, bis man sich schließlich in einem radikal-verstörenden Tagtraum zwischen Hexen, Halluzination und jeder Menge Hass wähnt. Letzterer wurde wahrscheinlich noch nie so farbenfroh versucht zu fassen wie hier.

Lieblingszitat: "Metal ist jetzt Boulevard und hat seine Fantasie verloren. Er ist zu einem Ausdruck für unsichere Männer geworden, die sich eine Zeit zurückwünschen, in der sie stark hätten sein können. Er beschäftigt sich mit Werten aus dem Mainstream, Dominanz und Kontrolle, er wird monströs, totalisierend, zu einer tour de force, einer Machtdemonstration, er beschäftigt sich zu wenig mit Kritik. Und niemand fragt nach dem Grund für den Hass."