Mit "Walk" und "Cowboys From Hell": Pantera liefern eine brachial würdige Reunion-Vorstellung.

Berlin (mab) - Viel wurde im Vorfeld diskutiert über Panteras Reunion-Tour. Einerseits aus musikalischen Gründen, wehrte sich doch Drummer Vinnie Paul zu Lebzeiten doch vehement gegen eine Rückkehr auf die Bühne mit den alten Kollegen. Andererseits aus ideologisch-politischen, glänzte Sänger Phil Anselmo doch in der Vergangenheit wiederholt mit mindestens fragwürdigen Aktionen und Aussagen. Im Zuge des Bookings für Rock Am Ring/Rock Im Park entbrannte die Diskussion um seine Hitlergruß-Affäre neu und führte letztlich zur Ausladung der Band.

Es scheint jedenfalls genügend Leute zu geben, die sich entweder nicht um die Vorwürfe scheren oder Anselmo die nachträglichen Entschuldigungen abnehmen, denn anstelle der Festivalauftritte schob die Band kurzerhand zwei zusätzliche Headliner-Gigs in Stuttgart und Dresden ein, beide gut besucht. Der Frontmann selbst nimmt die Sache inzwischen offenbar ernster als noch vor ein paar Jahren (der Weißwein war schuld) und zeigte sich aufmerksamer gegenüber rechtsextremer Symbolik. In Bulgarien rügte er von der Bühne aus einen Fan mit "White Power"-Fahne. Vielleicht haben die Diskussionen ja doch etwas bewirkt.

Ein Drittel war schon früher dabei

In Berlin blieben solche Zwischenfälle – jedenfalls nach Kenntnis des Autors – zum Glück aus. Stattdessen sieht man bereits im Foyer der Verti Music Hall Leute demonstrativ mit für Toleranz werbenden Shirts herumlaufen. Schöne Farbtupfer, auch wenn der größte Teil des Publikums natürlich lieber die alten, schwarzen Pantera-Leibchen trägt. Viele davon könnten tatsächlich noch aus den Hochzeiten der Band in den 90ern stammen, denn als Anselmo später in die ausverkaufte Halle fragt, wer schon mal live dabei war, grölt mindestens ein Drittel bejahend los.

Wenig überraschend zeigt der Querschnitt der Besucher:innen ein dominant männliches und Mitte-Vierzig-Bild. Allerdings: Diverser als zumindest vom Autor dieser Zeilen erwartet, fällt das Publikum dann doch aus. Direkt neben mir hüpft vergnügt eine junge Frau auf und ab, die wohl gerade zu dem Zeitpunkt geboren wurde, als sich der Pantera auflöste. Ihre gleichaltrige Begleitung spielt nahezu die komplette Show über Luftschlagzeug.

Ein würdiger Ersatz für die Abbott-Brüder

Anlass dazu gibt es genug, denn Charlie Benante macht am echten Drumkit einen verdammt guten Job. Natürlich fehlt Vinnie Paul, die Signature-Triolen in "Becoming" machen ohne den wandelnden Cowboyhut nur halb so viel Spaß, und es ließe sich lange darüber streiten, ob es gerechtfertigt ist, eine Reunion ohne ihn und seinen Bruder Pantera zu nennen oder nicht. Fest steht aber auch: Einen würdigeren Ersatz als Benante und Zakk Wylde hätte es für die vakanten Positionen wohl kaum geben können.

Beide sind Koryphäen auf ihrem Gebiet, beide verbinden persönliche Geschichten mit der Band und beide liefern herausragend ab, ohne sich an die Pantera-Audience anzubiedern. Sie agieren zurückhaltend effektiv, verstecken sich zwar nicht, überlassen das Spotlight aber im Zweifel eher den Originalmitgliedern. Vor allem bei Wylde fällt dies auf, zeigt er sich bei den Shows seiner eigenen Band Black Label Society doch gerne recht extrovertiert. Heute konzentriert er sich aufs Spiel, findet dabei eine gute Balance zwischen Dimebag-Parts und eigener Note, und beschränkt sich Performance-technisch aufs Haareschütteln: Für die Soli in "Planet Caravan", "This Love" gibt es lautstarken Applaus.

A Display Of Power

Bassist Rex Brown bewegt sich von allen vier Beteiligten am meisten auf der Bühne, sucht Blickkontakt mit den Besucher:innen und posiert gut gelaunt für die Filmkameras im Graben. (Ob man die für Livevideo-Übertragung auf extra rangeschafften Leinwänden in der Halle – mit Kapazität 4.500 nun auch nicht sooo groß – sei mal dahingestellt.) Aber sind wir ehrlich: Brown mag das Rückgrat der Band darstellen, wirklich im Fokus stand er aber nie. Daran ändert auch die Reunion nichts. Im Zentrum steht klar Frontmann Phil Anselmo. Barfuß stapft er über die Bühne, in Zeitlupentempo. Zwar fehlt dem mit prolliger Attitüde auftretenden Shouter inzwischen jeglicher körperlicher Elan, allerdings weiß er das durch schiere Präsenz und Stimmkraft zu kompensieren. In dieser Hinsicht hat Anselmo über die Jahre hinweg sogar eher gewonnen als verloren.

Deshalb kann man auch kaum anders, als anerkennend mitzugrooven, als die Dampfwalze mit "Vulgar Display Of Power"-Opening-Doppel "Mouth For War" und "A New Level" (in umgekehrter Reihenfolge) brachial losrollt und erst anderthalb Stunden später nach "Cowboys From Hell" und der Zugabe "Use My Third Arm" widerwillig zum Stehen kommt. Das waren Pantera. Und sie waren ziemlich gut.

Setlist:

  1. A New Level
  2. Mouth For War
  3. Strength Beyond Strength
  4. Becoming
  5. I'm Broken
  6. Suicide Note Pt. II
  7. This Love
  8. Yesterday Don’t Mean Shit
  9. 5 Minutes Alone
  10. Fucking Hostile
  11. Planet Caravan
  12. Walk
  13. Domination/Hollow
  14. Cowboys From Hell
  15. Use My Third Arm

Vinnie Paul und Dimebag Darrell sind da

Vinnie Paul und Dimebag Darrell waren übrigens den ganzen Abend über präsent. Schon zu beginn flackern ihre Silhouetten auf den Screens auf, sie grinsen von den Fellen der Doublebass, und während "Planet Caravan" läuft ein Supercut mit alten Archivaufnahmen der Brüder. Trotz Abwesenheit waren sie so irgendwie die Hauptfiguren. Ob man das als aufrichtig oder kalkuliert empfindet, muss jede:r für sich klären.

Eröffnet haben den Abend übrigens Elegant Weapons, das neue Projekt von Judas Priest-Gitarrist Richie Faulkner. Im Studio gehörte auch ein gewisser Rex Brown zum Line-up. Für eine Doppelbelastung reichte die Kondition auf Tour dann aber wohl doch nicht aus, weshalb seine Parts Uriah Heep-Bassist Dave Rimmer übernahm. Am Schlagzeug sitzt Accepts Christopher Williams, Ronnie Romero (Rainbow) trällert. Allein schon wegen dieser hochkarätigen Besetzung nahm man den Auftritt gerne mit. Um ähnlich große Hallen in Zukunft einmal selbst zu füllen, muss allerdings noch mehr passieren als die soliden guten Heavy Metal-Songs des kürzlich erschienenen Debütalbums "Horns For A Halo".

Fotos

Berlin, Verti Music Hall, 2023 Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour.

Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Die Groove Metal-Ikonen auf Reunion-Tour., Berlin, Verti Music Hall, 2023 | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger)

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