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Platz 2: Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me (1987)

Ein Doppelalbum von The Cure, dieser Außenseiter-Band? Ist das nicht eher etwas für Fleetwood Mac und Pink Floyd? Den Briten ist es egal, sie erlaubten sich nun alles, das Vorgängeralbum brachte ihnen enorme Popularität bis nach Amerika ein, die Stimmung in der Band ist überwältigend. Kann sich jeder selbst vorstellen, wenn man auf Plattenfirmenkosten mit der eigenen Band mehrere Monate lang in Südfrankreich inmitten von Weinreben in einer Villa lebt.

Apropos Wein, der Alkohol fließt in Strömen, aber bis auf Lol Tolhurst hält das niemanden von guten Ideen ab. Der Keyboarder schlittert dagegen endgültig in seine Sucht hinein und trägt zur Entstehung der Platte wenig bei, wie er in seinem Buch "Cured" 2020 auch selbst zugibt. Bei der Aufnahme des Songs "Shiver And Shake" musste Tolhurst angeblich im Studio direkt vor Smith stehen, damit dieser die benötigte Portion Ekel für die Performance aufbringen konnte ("You're just a waste of time / You're just a babbling face").

Natürlich hat bei diesem Album jeder das gottgleiche "Just Like Heaven" im Ohr: "Show me how you do it / and I promise you I promise that / I'll run away with you": Es ist wohl die Songzeile, die die sehnsuchtsgetränkte Romantik von The Cure am besten auf den Punkt bringt. Robert Smith perfektioniert hier die magische Songformel, die er mit "Boys Don't Cry" schon früh entdeckte, die auch "In Between Days" und "Friday I'm In Love" durchströmt und die er 1996 mit "Mint Car" gegen die Wand fährt. Es ist seine Liebeserklärung an seine Freundin Mary Poole, die er kurz darauf heiratet. Der andere Single-Hit heißt "Why Can't I Be You?" und verzaubert die Indie-Crowd im Sommer 1987 - diese dauerdeprimierenden Typen können ja tatsächlich Dance Music schreiben.

Das war es dann aber auch mit Single-Pop für Radiohörer, gleich der Opener "The Kiss" schwingt den psychedelischen Rock-Hammer, bevor es mit dem waidwunden Kleinod "Catch" samt Geige richtiggehend zärtlich wird. Im dazugehörigen Videoclip machte sich Tolhurst abermals keine Freunde: "Das Video war mit 120.000 Pfund doppelt so teuer wie all unsere anderen, wir drehen diese wunderschönen Aufnahmen und der Bastard läuft in seinen Minenarbeiter-Jeans die Wendeltreppe herunter und tut nicht mal so als könne er Geige spielen", echauffiert sich Smith.

Ansonsten: 18 Songs, einer schöner und andersartiger als der vorangegangene. Das mitreißend-melancholische "How Beautiful You Are" mit Paris-Flair etwa, basierend auf einem Gedicht von Charles Baudelaire oder die Funk-Exkursion "Hot Hot Hot!!!" Auf der Platte ist jede Stimmung vorhanden, die man an The Cure liebt, und das in ihrer bestmöglichen Ausführung. Es war klar, dass nach diesem Doppelschlag etwas komplett anderes folgen musste ...

Anspieltipps:

"The Kiss", "Just Like Heaven", "Catch", "How Beautiful You Are", "Hot Hot Hot!!!"

Leider totgehört:

"Why Can't I Be You"

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