laut.de-Kritik

24/7: Raps to Relax and Study to.

Review von

Für Deutschrapverhältnisse ist Bambus ein komplett Außerirdischer. Sein Flow ist entschleunigt und gemurmelt, stets an der Grenze zur Monotonie, seine Texte ersetzen einen roten Faden durch einen immerwährenden Strang loser Eindrücke und Assoziationen. Und doch beweisen nun eine gute handvoll Projekte einen unweigerlichen Appeal in der Musik, die sich irgendwo zwischen Stoner- und Cloud-Rap einordnen lassen könnte. Mit "Atypical" bewegt er sich nicht nur einen weiteren Schritt in Richtung musikalischer Selbstfindung, sondern liefert auch sein gereiftestes und ausgefeiltestes Projekt bislang ab.

Schon der eröffnende Titeltrack "Atypical" macht klar, dass sich unter der dominanten Trägheit seiner Vocals ein Händchen dafür verbirgt, einen griffigen Flow zu zimmern und diesen auch für einen Song sehr profitabel auszuschöpfen. Auch wenn es technisch nie flashy wird, sind die Songs handwerklich sehr versiert zusammengestellt. Bambus weiß, wann er für einen Moment pointierter Delivery ein Reimschema aufbrechen oder für musikalischen Effekt melodiöse Inflektionen aufblitzen lassen muss.

Das Resultat sind Vocals, die kontraintuitiv zum Status Quo der Rapmusik funktionieren. Statt energisch die Aufmerksamkeit auf sich zu bündeln, wird Bambus als Performer viel mehr zum Beifahrer der eigenen Vision, fühlt sich auf den Instrumentals eher als ein entfernter und verschwommener Beobachter aus dem Hintergrund an als jemand, der das Feld der Songs aktiv beherrschen und lenken will.

Dieses Modell kann gerade im letzten Drittel schwerfällig, vielleicht auch monoton anmuten, wird es doch gefühlt mit jedem neuen Track noch ein wenig sphärischer, noch ein wenig langsamer, entgleitet ein wenig mehr. Aber dieses Attribut ist eines der maßgeblichen Stilmittel, die Bambus überhaupt erst seinen einzigartigen Flair und Appeal verleihen.

Dass das aufgehen kann, liegt aber auch sehr an der Qualität der Instrumentals. Weg von der dominanten Synthesizer-Kulisse früherer Projekte und auch weitestgehend abgekehrt von Trap-Drums (lediglich auf "Wie Es Wär" und "Kein Verzicht" rattern die HiHats merklich) scheint sich "Atypical" in die im letzten Jahr wahnwitzig populär gewordene Welt des LoFi-Hip Hops vorzuwagen. Dieses eigenartige Subgenre wurde maßgeblich durch fürs Lernen gedachte Livestreams auf YouTube popularisiert und ist vielleicht die adäquateste Antwort dieser Generation auf die Notwendigkeit von Ambient-Musik. Dabei könnte man sie recht passend als Nujabes- oder J Dilla-Beats mit etwas mehr Distortion, Tape-Manipulation und anderen Vintage-Effekten beschreiben.

Hier und da mischen sich auf Tracks wie "Neonfarben" noch analoge Synthesizer dazwischen, die irgendwo zwischen Ninja Tune und Witchhouse entlehnt zu sein scheinen, und sorgen für ein Soundbild, das vorigen Vergleich noch einmal unterstreicht. Bambus ist, was wäre, wenn man Ambient 2018 in Deutschrap übersetzt hätte. Wallpaper-Musik, die durch ihre subversive Psychedelik eine immens hypnotische, einnehmende Wirkung entfalten kann.

Das spiegelt sich auch in den Lyrics wieder. Bambus ist kein schlechter Texter, jedoch ein sehr verkopfter und zielloser. Selten handeln die Songs ein konkretes Thema ab, vielmehr erzeugen sie einen Stream Of Concsiousness aus der Psyche des Protagonisten, die in ihrer intuitiven Ziellosigkeit etwas erfrischend Unegozentrisches trägt. Bambus scheint es egal zu sein, was genau er sagt und wie es bei wem ankommen könnte. Vielmehr scheinen seine Gedanken um wiederkehrende Themen zu kreisen, die ihn unkonkret beschäftigen. Intelligenz ist so eines, genauso wie Potential. Narrative einer apathischen Generation an Millenials, die sich Zeit des Erwachsenwerdens nicht mit sich selbst darüber einigen können, ob sie denn nun zu Größerem bestimmt sind oder nicht.

Sympathischerweise fühlt Bambus auch gar keine Notwendigkeit, sich zu diesen Konflikten groß zu positionieren. Seine Attitüde, seine Art werden konkreter zur Aussage des Projektes, als Textzeilen es erreichen könnten. "Ich sitze im Horizont und ich springe runter" heißt es mal auf "Bunker", "Ich habe Freunde in Europa, ich kenne Leute an der See" auf "Freunde Von Europa". Bambus spricht, wie die Instrumentals klingen. Formlos melancholisch, mit einer gewissen Leichtigkeit schwermütig. Konzeptionell entsteht interessanterweise aber ein sehr aussagestarker Moment gerade dann, wenn Bambus sich auf dem Track "Blanco" mit dem Straßenrapper MAZ konfrontiert sieht. Dessen Schilderungen über die Härte und Gnadenlosigkeit des Lebens hat er nichts entgegenzustellen als ein hallendes "Ja", das Hin und Her im Refrain nimmt durch die Ungleichheit der beiden Akteure eine existenzialistische Apathie an, die beizeiten schwer auszuhalten ist.

"Atypical" wird seinem Namen voll und ganz gerecht, ein absolut untypisches Deutschrap-Release zu sein. Ein schweres Projekt, um es am Stück zu konsumieren, so fadenlos und beizeiten wahllos schleppt es sich durch die eigene Äshtetik voran. Aber in dieser musikalischen Simplizität, in diesem völlig reduzierten und unterschwelligen Songwriting steckt eine fast radikale Konsequenz und ein Appeal, in der man sich leichthals verlieren kann. Irgendwo zwischen Lo-Fi-HipHop-Melancholie und Millenial-Angstiness hat sich Bambus eine unglaublich kompetent ausgefüllte Sparte gegraben, in der ihm niemand das Wasser abgraben wird. Und wer sich nach alternativen Pfade im Deutschrap-Untergrund umsieht, könnte hier durchaus spannenden neuen Input finden.

Trackliste

  1. 1. Atypical
  2. 2. Fallobst (feat. Joe Space)
  3. 3. Bunker
  4. 4. Wunder (Drwn. Remix)
  5. 5. Neonfarben (feat. Laca)
  6. 6. Freunde Von Europa
  7. 7. Blanco (feat. MAZ)
  8. 8. Feigenbaum
  9. 9. Jogginghose
  10. 10. Wie Es Wär (feat. Playboi52)
  11. 11. Kein Verzicht (feat. Konz)
  12. 12. Würfel

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