"Ich hatte den Eindruck, dass Scarletts tiefe und bedeckte Stimme eigentlich vor jedem musikalischen Hintergrund grandios klingen würde." David Sitek, seines Zeichens TV On The Radio-Kopf und Johanssons Produzent, hätte Marketingchef werden sollen.

Als fundierte Beurteilung der Gesangsqualitäten …

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  • Vor 16 Jahren

    Als ich davon hörte, dass die Johansson ein Waits-Album aufnimmt, habe ich zunächst mit nichts relevantem gerechnet. Durch die lobende Äußerung Bowies und dessen Engagement bei der Aufnahme, änderte sich die Erwartungshaltung beträchtlich..
    Nun konnte man die gute Scarlett bislang ohnehin nie als Hollywoodteenietussi abtun, die entweder zum H&M-Britney-Beyonce-Lager gehörte, noch zum Emo-Bereich oder Pseudorebellentum a la Avril Lavigne. Sie ist vielmehr mit den ganz großen alten Meistern aufgewachsen, wie Velvet Underground, Stooges, Bowie und Waits. Ebenso schätzt sie die amerikanischen Indie-Alternative-Helden der 80er Jahre sehr. Das Mädchen weiß also gut bescheid für eine 22 jährige.
    Und nun auch noch dies! Was bitte ist das für ein Album?
    Da ist zunächst der Gesang. Johanssons Stimme hat eine Klangfarbe, die – vollkommen unerwartet – nichts zartes und mädchenhaftes in sich trägt. Sie erinnert eher an eine zeitgenössische Mischung aus Marianne Faithful und Nico. Der Eindruck verstärkt sich mit jedem Song, wobei S.J. stetig zwischen emotions- und teilnahmslosem Sprechgesang a la Lou Reed bzw. Anne Clark einerseits und den dunkelsten Momenten Faithfuls andererseits pendelt.
    Entsprechend kühl, metallisch und aus dem off kommend, wurde die Stimme in den Sound gemischt. das musikalische Fundament ist ähnlich anti-waits-artig gestrickt.
    Der Klang des Albums ist vollkommen anachronistischer Frühachtziger-New-Wave. Klinisch und anorganisch wie weiß gekachelte Räume tönt es aus den Boxen.
    „I don’t wanna grow up“ zb könnte sehr wohl von alten Elektrohelden wie John Foxx oder Anne Clark stammen.
    „Anywhere i lay my head“ und „who are you“ sind eins zu eins Soundkopie von Peter Gabriel 1980 (biko-phase) inclusive der typischen Percussion und beckenlosen Drums (die schon Phil Collins für „in the air tonight kopierte). Anämisch legt Scarlett - ohne jede reminiszenz an ihre Jugend – ihre vollkommen trostlosen Vocals darüber, was im Zusammenspiel eine total resignative Stimmung erzeugt.
    Die gelegentlich auftauchende Voodoo-Orgel vermag dem Sound auch keine Lebendigkeit einzuhauchen und soll dies auch nicht.
    „A town with no cheer“ beispielsweise quält sich auf diese Weise wie ein Zombie durch seine untote 5 minütige Existenz..
    Auf „Falling down“ und „Fannin’ street“ bildet Bowie mit seinen weichen Backingvocals den warmen Konterpart, das Yang zu Johanssons aseptischem Ying. Das klappt ganz wunderbar. Die Songs werden hier der Eindimensionalität entrissen und beginnen kontrastreich zu funkeln. Ohnehin fällt es angenehm auf, wie diszipliniert Bowie auf jede egozentrische Dominanz verzichtet, der Kleinen großväterlich den nötigen Raum zur Entfaltung lässt und sich selbst vom Duettpartner zum Hintergrundsänger degradiert. Das funktioniert auf dem Album ähnlich gut, wie seinerzeit auf Iggy Pops „Passenger“ bzw „Tonight“ und Placebos „Without you I’m nothing“.
    „Green gras“ ist vielleicht das erste Doom Country Stück überhaupt. Grün ist das gras hier schon lange nicht mehr. Da fegt höchstens noch ein Tumbleweed durch die fordernde und verschlingende Wüste. Heraus kommt man da nicht mehr; auch nicht als Hörer. Die Produktion klingt ausnahmsweise nicht wavig, sondern nach Nick Caves Bad Seeds zu Zeiten Blixa Bargelds.
    „I wish i was in New Orleans“ befreit sich von dem klassischen Jazzballadenkleid des Originals von 1976. Ein alptraumhaftes Psychoglockenspiel bleibt einziges Begleitinstrument. Dennoch kllingt S.J. hier tatsächlich ein wenig femininer und hoffnungsvoller als auf den anderen Tracks.
    „Falling down“ löst sich genauso vom original (Big Time 1988) und macht Waits krächzenden Blues zum einbeinigen Walzer.
    Der von Johansson selbst verfasste „Song for Jo“ muß sich gar nicht hinter den anderen Tracks verstecken; ein ruhiges Landschaftsbild an dessen Ende man sogar Vogelzwitschern vernehmen kann steht im Kontrast zu Scarletts Telefonzeitansagestimme..
    That’s real Gothic!

    Das alles beraubt Tom Waits’ Kompositionen komplett ihrer typischerweise innewohnenden Kauzigkeit. Die oft sehr melancholischen berührenden Melodien werden hier zur waschechten Depression, die keinen Platz lässt für Waits’sche Selbstironie oder das ihm eigene humorvolle Augenzwinkern. Und das ist gut so; möglicherweise sogar die einzig gehaltvolle Art, das Unkopierbare zu interpretierbaren.
    Rod Stewart hat „Downtown Train“ und „Tom Traubert’s Blues“ fast hingerichtet.
    Springsteen hat „Jersey Girl“ seine romantische Intimität geraubt.
    Da muß dann erst so eine 22 jährige Göre kommen, die viel mehr verstanden hat, auf welche Art man überhaupt covern darf und wie man die Hörerwartungen des Mainstream vor die Wand fährt.

    Onkel Tom wird seine diebische Freude daran haben.
    Er wohnt nicht in diesem Album. Aber er sitzt hinterm Haus in Scarletts Garten. Gemeinsam trinken sie entkoffeinierten Kaffee und lachen über jene, die solche Kunst nicht verstehen.

  • Vor 16 Jahren

    Mhh
    ich weiss ja nicht, was ich von der Musik halten soll. Ich hab zugegebnermaßen nur über Myspace reingehört, aber da fand ich das ganze alles etwas zu flach vom Sound zu nichtssagend.
    Werd bei Zeiten mal ausgiebiger reinhören, aber bisher hat mich Scarlett Johanssons Waits Interpreation noch nicht so vom Hocker gehauen.

  • Vor 16 Jahren

    glaub ich dir aufs wort.
    aber nach 3 maligem hören wächst das.

  • Vor 16 Jahren

    der gesang ist schon sehr cocteau twins-lastig. schade irgendwie. ich hätte ihr mehr eigenständigkeit zugetraut. klingt aber dennoch sehr nett.

  • Vor 16 Jahren

    Ich war eigentlich gleich neugierig, als ich von dem Album gehört habe. Nachahmung muss bei Waits zwangsläufig scheitern, deswegen habe ich Scarlett gute Chance zugestanden, dass sie mit zuckersüßer Leichtigkeit die Songs eben auf eine andere Weise interpretiert eben genau ohne das "kauzige", das sonst bei Waits omnipräsent ist. Beim Titelsong "Anywhere I Lay My Head" ist das denke ich auch ganz gut gelungen, wenn sie dieses Niveau auf dem ganzen Album hält, könnte das meine Erwartungen sogar übersteigen und wirklich ganz nett werden!

  • Vor 16 Jahren

    Die singt???? Oha, total an mir vorbei gegangen...werd gleich mal reinhören!

  • Vor 16 Jahren

    ohnein. ich fand sie ja schon immer toll und beneidenswert, und wenn sie jetzt auch noch gute musik macht, das ist doch gemein. :tongue:

  • Vor 16 Jahren

    @cucumbersandwich (« der gesang ist schon sehr cocteau twins-lastig. schade irgendwie. ich hätte ihr mehr eigenständigkeit zugetraut. klingt aber dennoch sehr nett. »):

    word.

  • Vor 16 Jahren

    Hab's vorliegen, aber noch keinen Ton reingehört. Bin aber schon gespannt. Wenn die Platte so geil ist wie ihre ****** *chauvizensur*, dann freut sich der Player.

  • Vor 16 Jahren

    bin auch gespannt, was du davon hältst.

  • Vor 16 Jahren

    kenn zwei Songs, Falling Down und Anywhere I lay my head ... erster geht noch, aber beim zweiten ist nicht nur der Gesang grottig sondern auch das Arrangement und alles ... Wie kann man diesen Song nur so zugrunde richten? :mad:

  • Vor 16 Jahren

    Eine Tom Waits Cover-Platte an der zudem noch die Musiker von TV on the Radio mitgearbeitet haben, kann ja eigentlich nur gut werden. Ganz egal wer singt :D . Als Fan beider Bands bzw. Musiker werd ich zumindest mal reinhören.
    Wann kommt eigentlich mal wieder ne neue Waits Platte?

  • Vor 16 Jahren

    na immerhin kommt der meister ja wiesder auf tour dieses jahr

  • Vor 16 Jahren

    kenn bislang auch nur "falling down" was mich nicht gerade umhaut. muss da aber noch mal reinhören.

  • Vor 16 Jahren

    Leider für die Tonne, das Album.

  • Vor 16 Jahren

    Hm ... ich hab's seit 10 Minuten in der Jackentasche. Mal sehen, vielleicht höre ich heute noch rein.

    Nach der obigen Meinung glaube ich zwar nicht, daß es Holly Cole das Wasser reichen kann, aber man läßt sich ja gerne überraschen :D

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    Würd ja mal reinhören(vielleicht auch nur um mich darüber aufzuregen ;) ) leider scheinen nach einer kurzen suche die meisten links tot. (Youtube and Myspace, ein Schelm der böses dabei denkt)

    /Edit der Fehler saß zwischen Stuhl und Tastatur

    Eigentlich ne schöne Stimme, kommt mir irgendwie bekannt vor. Auf der anderen Seite ist mir das zu karg, irgendwie ohne Anteilnahme oder Herz wie das Original.

  • Vor 16 Jahren

    @Skywise (« Hm ... ich hab's seit 10 Minuten in der Jackentasche. Mal sehen, vielleicht höre ich heute noch rein.

    Nach der obigen Meinung glaube ich zwar nicht, daß es Holly Cole das Wasser reichen kann, aber man läßt sich ja gerne überraschen :D

    Gruß
    Skywise »):

    ist wohl eher eine geschmacks- denn qualitätsfrage.

    ich zb halte holly coles interpretationen für langweiligen jazz-chanteuse-quark für studienräte und zahnarztgattinnen denen waits pur zu schräg ist.
    und beim jazz/blues ist der alte tom eben ohnehin unschlagbar.

    wer sich hingegen für die klinische radikalkur plus nico/faithful-kapputtheit begeistern kann (auch wer bowies low-heroes-lodger mag), muß nur mal eben vergessen, daß es sich hier um waitssongs handelt.

  • Vor 16 Jahren

    @dein_boeser_Anwalt (« ich zb halte holly coles interpretationen für langweiligen jazz-chanteuse-quark für studienräte und zahnarztgattinnen denen waits pur zu schräg ist. »):

    Autsch, das schmerzt :D
    Wobei ich die Meinung durchaus nachvollziehen kann, wenn auch mit der Einschränkung, daß ich es gut finde, wie Holly Cole die Lieder von Tom Waits für sich aufgearbeitet und auf die ihr eigene Weise interpretiert hat. Ich glaube, daß ich erst durch ihr "Temptations"-Album zwei Sachen begriffen habe:
    1. Tom Waits schreibt nicht nur für Tom Waits (an der Meinungsbildung war Rod Stewart ganz bestimmt nicht unbeteiligt)
    2. Selbst einige Stücke, die so klingen, als würde Tom Waits gerade ein Tonstudio mitsamt den beinhalteten Musikern zerlegen oder das Mikrofon nach allen Regeln der Kunst einspeicheln, können so interpretiert werden, daß sie statt Aggression große Verletzlichkeit vermitteln. Das spricht sowohl für ihn als Lyriker, als auch für Holly Cole als Interpretin, die sich solche Gedanken gemacht hat ...
    Daß ihre Interpretation Geschmackssache ist - genehmigt :D

    Zitat (« wer sich hingegen für die klinische radikalkur plus nico/faithful-kapputtheit begeistern kann (auch wer bowies low-heroes-lodger mag), muß nur mal eben vergessen, daß es sich hier um waitssongs handelt. »):

    Das, was ich gestern zwischen Tür und Angel noch gehört habe, klang eigentlich schon mal ganz ansprechend. Ich fürchte zwar, daß es bis Freitag dauert, bis ich dazu komme, das Album mal wirklich aufmerksam (und mit einem Glas Was-Alkoholhaltiges in der Hand) zu hören, aber spontan würde ich sagen, daß es bestimmt ein interessanter Abend wird ...

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    jep, gläschen :absinth: , meine rezension und ab die post ;)