laut.de-Kritik

Eine Achterbahn, die auf der immer gleichen Höhe kreist.

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Wenn euch irgendjemand fragt, wie der Hip Hop-Trendsound 2021/22 in Deutschland klingt, spielt der Person einfach einen X-beliebigen Song von diesem Album vor – besser kann man's nicht beschreiben. Dabei sind 01099 gar nicht so deutschrap-mainstreammäßig drauf, wie man bei ihrem Sound zunächst vermuten könnte.

Gustav, Paul, Zachi und Dani haben ihr Künstlerkollektiv nach der Postleitzahl ihrer Heimat Dresden-Neustadt benannt, setzen sich gegen Sexismus und Rechtsradikalismus ein und rappen statt von Gucci, Rolex und Grey Goose lieber über Marken wie "Skyr" oder "Durstlöscher". Schade, dass im Kontrast zu den erfrischenden Texten auch auf der zweiten Studioplatte "Altbau" musikalisch wirklich alles gleich klingt.

Angefangen bei "Sportlich". Zumindest inhaltlich überzeugt der Song mit Lines wie "Ich mag ICEs, aber keine SUVs" oder mit eindeutigen Statements wie "Du Pisser wählst die AfD, also fick dich, ja." Das lass ich jetzt einfach mal unkommentiert stehen.

Auf "Glücklich" präsentieren 01099 ihren bekanntesten Featuregast, Rapper Cro. Der fügt sich wunderbar in den Sound der Gruppe ein und wertet "Glücklich" gemeinsam mit dem lässigen Bass und den Retro-Drums ungemein auf. Ein schönes Projekt, das musikalisch fast nahtlos in den sehr unauffälligen Titeltrack "Altbau" übergeht. Angenehm warm und entspannt klingen die Synthies dafür wieder in "Regen". Durch die eine oder andere Line auf Französisch erhält dieser auch direkt eine persönliche Note. Perfekt zum Relaxen – oder auch: Parfait pour se détendre!

Was das Produzenten-Duo Miksu/Macloud anfasst, wird eigentlich automatisch zu Chart-Gold. So auch die Kollabo "2000er". Der Song erfreute sich Anfang 2022 großer Beliebtheit beim jugendlichen Publikum und wurde rauf und runter gespielt von diesen nervigen Menschen, an denen die Erfindung des Kopfhörers offenbar vorbeigegangen ist und die regelmäßig mit viel zu lauter JBL-Box am Bahnhof chillen. Darin singen 01099 von ihrer Jugend und besinnen sich auf ihre Wurzeln: "Aus den 2000ern / Kinder, die viel draußen war'n / Jetzt fang'n sie zu rauchen an / Im Altbau seit ich laufen kann." Thematisch gar nicht so dämlich, musikalisch leider eher ein Lowlight.

Es ist aber sowieso schwer, bei "Altbau" von High- und Lowlights zu sprechen. Denn alles bewegt sich auf einer Welle der Gleichförmigkeit. Die Stimme soll so gelangweilt wie möglich klingen, der Rhythmus ist fast immer derselbe. Abwechslung wird hier nicht groß geschrieben, sollte aber auch niemand erwarten, der monotone Stil gehört einfach zum Hörerlebnis. Genau dieses Merkmal macht den Erfolg von 01099 offenbar aus.

Wie schon bei Pashanim oder BHZ funktioniert die Mischung aus Techno-ähnlichen Rhythmen und tiefenentspanntem Rap, weil sie sich sowohl für den Dancefloor im Club mit 9 Euro-Wodka-Bull, als auch für's Chillen im Park mit 70-Cent-Durstlöscher in der Hand eignet.

Variabel ist es trotzdem nicht: "Vespa", den gefühlten Trettmann-Abklatsch "Schnelle Brille", "Kecks", "Jacke Zu" und auch "Dies & Das", den erfolgreichsten Song des Albums, kann man getrost zusammenfassen. Ich würde ja genauer darauf eingehen, aber langsam gehen mir die Synonyme für "monoton" aus.

Schauen wir deshalb lieber auf "Verträumt", das sich seinen Namen nämlich durchaus verdient. Zart und atmosphärisch, kann man durchaus einplanen für die nächste Zugfahrt bei Nacht. Nicht nur aufgrund der Akkorde erinnert er stark an "Liebeslieder" von Bausa. Kein schlechtes Zeichen.

"Kreta 3.0" führt, wie der Name schon verrät, eine – für die Gruppe bedeutende – Serie fort. "Kreta" war 2018 die Debütsingle der Dresdner, "Kreta 2.0" leitete 2020 das erste Album ein. Highlight des zweiten Parts war übrigens das Intro: "Was machen wir eigentlich, wenn wir auf 'nem Festival auftreten mit Zuschauern und es beginnt zu schauern?". Ähnlich grandioses Comedy-Gold (ja, ich weiß, mein Humor ist kaputt) hat der neueste der drei Tracks zwar nicht zu bieten, trotzdem führt "Kreta 3.0" die sommerlichen Feel Good-Vibes seiner Vorgänger gekonnt fort. Da geht die Sonne auf!

Den Abschluss der Platte bildet "nullzehnneunundneunzig ist die family", sicherlich das persönlichste der 13 Werke. Hier können wir getrost mal über die musikalische Belanglosigkeit hinweg sehen und uns voll auf den Text konzentrieren, der erneut offenbart, dass Gustav, Paul, Zachi und Dani einfach ein Herz und eine Seele sind: "Sie sagten: Mach's lieber allein / Nein, ich mach' das mit den Jungs / Weil die Family zu sein ist das größte Glück für uns." Genau so soll es sein.

Im Endeffekt fällt "Altbau" in die Kategorie "ganz nett". Der Hype in der Deutschrap-Welt ist nicht gänzlich unbegründet, einige Songs haben durch den eigenen Stil einen gewissen Charme. Auch inhaltlich ist es nicht verkehrt, was die die Dresdner Jungs so von sich geben. Musikalisch fehlen aber einfach Ups & Downs. Auf Dauer macht die Platte deshalb genau so wenig Spaß wie eine Achterbahn, die auf der immer gleichen Höhe im Kreis fährt.

Trackliste

  1. 1. Sportlich
  2. 2. Glücklich
  3. 3. Altbau
  4. 4. Regen
  5. 5. 2000er
  6. 6. Vespa
  7. 7. Schnelle Brille
  8. 8. Dies & Das
  9. 9. Kecks
  10. 10. Jacke Zu
  11. 11. Verträumt
  12. 12. Kreta 3.0
  13. 13. nullzehnneunundneunzig ist die family

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