laut.de-Kritik

Ein denkwürdiger Tag in London.

Review von

Man wäre am 1. November gerne einer von 3.000 Fans im Londoner Troxy gewesen, als The Cure punktgenau am Release-Tag ihr 14. Studioalbum "Songs Of A Lost World" live aufführten. Doch nicht nur das. Im Anschluss spielte die britische Kultband drei weitere Blocks. Einen mit Fanfavoriten und Hits ("Plainsong" oder "Just Like Heaven"), dann ein kurzes, ausschließlich mit Songs der 1980 veröffentlichten Platte "Seventeen Seconds" bestücktes Set sowie zum Finale unkaputtbare Classics wie "Boys Don't Cry" und "Friday I'm In Love".

Am Ende streamten The Cure 31 Songs weltweit live, nachzusehen auf Youtube. Kurzum - ein Abend, den jeder Fan gerne vor Ort miterlebt hätte. Vorliegende Live-Veröffentlichung bildet nun den ersten Teil des Gigs ab: "Songs Of A Lost World" in Gänze dargeboten, in der exakten Reihenfolge der Album-Tracklist und ohne Abweichungen im Arrangement. Die Spielzeit bleibt nahezu identisch.

Die Vocals von Hauptprotagonist Robert Smith tönen erfreulicherweise ebenfalls kaum anders als im Studio. Seine Stimme klingt selbst im Alter von 65 Jahren noch voll auf der Höhe, etwa bei "I Can Never Say Goodbye", das sich auch live als einer der stärksten "Songs Of A Lost World"-Tracks erweist. Smith bleibt in Richtung Publikum wie gewohnt freundlich, aber wortkarg. Die anderen Bandmitglieder melden sich on stage eh nie zu Wort.

Ob Gitarrist Revees Gabrels am 1. November jeden Ton seiner Rocksoli sklavisch reproduziert (Drone:NoDrone") oder Keyboarder Roger O'Donnell acht Songs lang genau dieselben Tasten gedrückt hat wie im Studio, sei einmal dahingestellt. Eventuelle Unterschiede zu den Studioversionen fallen dennoch minimalinvasiv aus, etwa die ein oder andere kurze, anders tönende Hook (z.B. bei "A Fragile Thing"), wir reden hier von zwei oder drei Tönen.

The Cure spielen die Platte in London 1:1 - was zu einem direkten, ungeschönten Live-Ergebnis führt. Im besten Sinne: Der Charakter der neuen Songs bleibt in Echtzeit derselbe, man hat sogar das Gefühl, die Band hätte "Songs Of A Lost World" auch im Studio live einspielen können. Was der Aufnahme im direkten Vergleich etwas abgeht, ist - gerade im Bassbereich - die Wucht der raumgreifenden Studioproduktion ("All I Ever Am" oder "Endsong"). Auch Jason Coopers Snare knallt im Studiomix natürlich besser ("I Can Never Say Goodbye").

Physisch erscheint das Livealbum im Februar auf CD und als LP sowie als Doppel-CD, Doppel-MC und Doppel-LP (jeweils in Kombination mit dem Originalalbum). Sämtliche Erlöse des Verkaufs fließen übrigens an die Organisation War Child, die Kinder und Jugendliche in Kriegsgebieten unterstützt. Eine feine Geste, auch, wenn "Songs Of A Live World: Troxy London MMXXIV" im Kontext des Cure-Backkatalogs letztlich eher einen bandhistorischen Moment denn musikalischen Mehrwert ergibt.

Trackliste

Songs of A Lost World

  1. 1. Alone
  2. 2. And Nothing Is Forever
  3. 3. A Fragile Thing
  4. 4. Warsong
  5. 5. Drone:Nodrone
  6. 6. I Can Never Say Goodbye
  7. 7. All I Ever Am
  8. 8. Endsong

Songs Of A Live World Troxy London MMXXIV

  1. 1. Alone - Live Troxy London MMXXIV
  2. 2. And Nothing Is Forever - Live Troxy London MMXXIV
  3. 3. A Fragile Thing - Live Troxy London MMXXIV
  4. 4. Warsong - Live Troxy London MMXXIV
  5. 5. Drone:NoDrone - Live Troxy London MMXXIV
  6. 6. I Can Never Say Goodbye - Live Troxy London MMXXIV
  7. 7. All I Ever Am - Live Troxy London MMXXIV
  8. 8. Endsong - Live Troxy London MMXXIV

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4 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor einem Monat

    Bitte die Infos zu den Varianten nochmal checken, denn davon stimmt leider nichts: Die Blood Red Moon Vinyl ist eine Variante des Studio(!)-Albums, die zusätzlich die Instrumentals enthält. Eine 2LP-Version, die die Livesongs und die Instrumentalversionen enthält, existiert ebenfalls nicht.

    Was es gibt: Eine reguläre Vinyl und eine 2LP, die neben dem Studioalbum auch das Livealbum enthält.

  • Vor einem Monat

    Weesentlich besserer Sound als bei den Streaming-Releases der Hauptplatte. Bis es brauchbare "Remasters" gibt, ist man hiermit besser beraten :)

    • Vor einem Monat

      Die Remaster werden natürlich nur dann besser klingen, wenn RS nicht selbst daran beteiligt ist. Oder wie er letzte Woche in dem Interview mit Tim Burgess sagte: er sei froh, dass das Album nicht so klinge wie die Live-Aufnahme. Das Album klingt exakt so schlecht wie er es haben wollte.

    • Vor einem Monat

      Man höre nur mal kurz den "Plainsong" als Opener der Disintegration im Vergleich zu "Alone" im Streaming-Release. Bin ernsthaft immer noch baff, wie amateurhaft der Mix beim Letzteren klingt. Passierte leider sehr häufig mit legendären Bands, daß sie beim Engineering usw. dringend dem aktuellen Standard hinterherlaufen wollten.

    • Vor einem Monat

      Ich weiss nicht, ob die Ursache das Kopieren aktueller Standards ist. Bereits die Disintegration war kein audiophiles Meisterwerk, sondern eine unglaublich überladene Produktion, in der viele Details im Mix untergegangen sind. Nein, ich tippe auf Geschmack und Hörverlust des RS. Seine Alben-Remaster sind ebenso wie die neue Produktion sehr laut und schwammig im Bassbereich, mit wenig Mitten und fehlender Transparenz in den Höhen. Wer hören möchte, wie ein aktuelles Album einer anderen legendären Band heute auch klingen kann, dem sei die neue The The ans Herz gelegt. Die Klangqualität ist nichts weniger als spektakulär.

    • Vor 30 Tagen

      Auch die Vinlymaster (gibt ja mehrere) klingen so bzw. so ähnlich, das ist offenbar wirklich Absicht. Das letzte mal war ich so enttäuscht beim aktuellen Alexisonfire Album Otherness. Da sind großartige Songs drauf, aber es klingt stellenweise als wäre es in einer Waschküche recorded worden. Antwort Wade McNeil: das ist der Style!

    • Vor 30 Tagen

      Kann schon sein, dass was in Smiths Gehörgängen durchgebrutzelt ist. Wenn man nicht hauptberuflich Produzent ist oder viel Übung hat, sollte man mit Hörschaden lieber die Finger von dieser Arbeit lassen.

      Ja, Funky_Bob... Die Songs auf der letzten Cure sind ziemlich gut. Sie klingen halt in meinem Kopf wesentlich besser, wenn ich mich an sie erinnere. Bin jedes mal enttäuscht, wenn ich ihnen wieder eine Chance beim Anhören gebe.

    • Vor 14 Tagen

      Die Remasters waren bis "Kiss Me x3" ganz ok, bei Disintegration legte er dann selbst Hand an. Kevin Metcalfe bekam noch einen "final mastering" Credit und hat es dann wieder geradegebogen. Dennoch: das 89er Original ist besser und sollte gebraucht einfach und preiswert zu bekommen sein.

  • Vor 30 Tagen

    das YT Video dazu enthält noch eine Reihe mehr Songs