laut.de-Kritik

Ein schizophrenes Wechselbad der Gefühle.

Review von

So leicht sich die Symbiose aus Pop-Punk und Metalcore auch abnutzt, A Day To Remember haben unnachgiebig abgeliefert. Das kann man ihnen hoch anrechnen, hatten sie doch bislang keinen Aussetzer zu verzeichnen. In vielerlei Hinsicht basiert der Ausnahmestatus der Genre-Helden auf Konstanz. Wo andere mit massentauglichen Stilbrüchen liebäugeln, haben die Floridianer ihre ureigene Masche kaum verändert.

Seit eh und je geht es mal unaufdringlich poppig, mal metallisch scheppernd zur Sache. Moshbare Drohgebärden gehören ebenso zum Repertoire wie zuckrige Clean-Passagen. Im Kampf der Elemente haben auf Album Nummer sechs im wahrsten Sinne des Wortes "Bad Vibrations" das Kommando übernommen. So scheint es zumindest anfangs.

Als wolle man jeden Anflug von Verweichlichung wegfegen und alle blumigen Erwartungen enttäuschen, grüßen Jeremy McKinnons Growls zum Auftakt straight out of hell. Mehr geröhrt als gesungen, zeichnet sich erst im Chorus ein melodischer Unterton ab.

Statt die Songs wie sonst mitten im stressigen Touralltag quasi zwischen Tür und Angel auszubrüten, zog man sich zum ersten Mal seit "For Those Who Have Heart" wieder bandintern zurück. Die schweißtreibende Lagerkoller Atmosphäre hat wohl böse Geister geweckt.

Im Vergleich zum eher sommerlich gehaltenen "Common Courtesy" sind die Gemüter einige Halbtöne tiefer gestimmt. Der Sound kommt organischer daher, die Tempoverschärfungen biestiger und die Breakdowns vernichtender. Kurzum: die Wurzeln des Punk und Hardcore werden fleißig mit Nährstoffen versorgt.

Was der Opener vorlebt, treibt das vor Wut schnaubende "Exposed" auf die Spitze. Kompromissloser gehts kaum. In "Reassamble" schmücken immerhin von Whisky verschlissene Brunftgesänge ein martialisches Soundgewand. Fast schon ungewohnt zahm klingt das Stück im Akustik-Modus aus. Ein Mörder-Brett, das im Gesamtpaket alles ausradiert.

Selbst ein verkappter Highschool-Partykracher wie "Naivety" protestiert angepisst fluchend gegen die verflogene Unbekümmertheit: "What I hate about getting older, where is my naivety?". Jedem Hauch von Pop-Punk-"Paranoia" weht ein pechschwarzer Zynismus entgegen.

Natürlich braucht jedes Extrem einen versöhnlichen Ausgleich, um zu wirken. Eine Spur zu abgekartet präsentieren sich ADTR auf der zweiten Albumhälfte zutraulicher. Nach den ultrafiesen Metzelorgien haben einige Vier-Akkord-Schlager nur noch ein Ziel, nämlich sich in den hinterletzten Schlupfwinkeln der Gehörgänge einzunisten. "We Got This".

Berauscht von melodiösen Umarmungen setzt "Justified" auf inbrünstige Mitsing-Momente in der ersten Reihe. In "Burn me alive, if you feel that's justified" bündeln sich bittersüße Emotionen im pathetischen Martyrium. Nur die Abschiedsverneigung "Forgive And Forget" drückt noch feinfühliger auf die Tränendrüse.

Auf "Bad Vibrations" sind es weniger überwältigende Refrains, die eine magnetische Anziehungskraft entwickeln. Da wäre an mancher Stelle mehr drin gewesen. Die Faszination verbirgt sich im schizophrenen Wechselbad der Gefühle.

Warum an einem einzigen Klischee aufhängen, wenn man gleich mehrere bedienen kann? Selten haben A Day To Remember ihre Strategie so eindrucksvoll enthüllt.

Trackliste

  1. 1. Bad Vibrations
  2. 2. Paranoia
  3. 3. Naivety
  4. 4. Exposed
  5. 5. Bullfight
  6. 6. Reassamble
  7. 7. Justified
  8. 8. We Got This
  9. 9. Same About You
  10. 10. Turn Off The Radio
  11. 11. Forgive And Forget

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen A Day to Remember – Bad Vibrations €6,56 €3,00 €9,56

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT A Day To Remember

Schon längst ist der eigentliche Ur-Punk in eine Menge Variationen ausgefranst. Anstelle der ursprünglichen simplen Akkordfolgen haben sich auch die …

8 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    Sehr gutes Album...Gute Band.

  • Vor 8 Jahren

    Taugt. 4/5

    Das Beste seit Homesick.

  • Vor 8 Jahren

    4/5

    Es gibt Songs wie In Florida oder Forgive and Forget, Exposed, die relativ langweilig sind. Jedoch auch absolute Perlen wie Paranoid, Justified, Reassemble, Turn off the radio und We got this...

    Allgemein: Wenn sich ein Band (z.b BMTH)zu sehr verändert, dann finden das alle ganz schlimm außer die neuen Fans. Verändert sich eine Band (wie z.b ADTR) eben nicht und bleibt seinem Stil relativ treu, dann wird es langweilig... man kann es nicht allen recht machen... aber ich habe auch keine Lust, dass sich jede Band zu einem zweiten U2/Coldplay verschnitt macht (Biffy und 30Stm lassen grüßen)