18. Januar 2017
"Man verliert schnell sein Gesicht"
Interview geführt von Kai ButterweckAFI-Fans sind aus dem Häuschen! Die Band um Sänger Davey Havok veröffentlicht dieser Tage ein neues Studioalbum. "The Blood Album" präsentiert die Band in puncto musikalischer Ausrichtung offener denn je.
Nach drei Jahren Funkstille meldeten sich die Amis mit schwarzen Fotos auf den bandeigenen Social-Media-Kanälen und pointiert gestreuten Video-Teasern wieder zurück. Die Fotos und Video-Snippets fungierten natürlich nur als Appetizer, der Hauptgang präsentiert sich erwartungsgemäß pompöser. Und zwar in Form des neuen Studioalbums "The Blood Album". Wir trafen uns kurz vor der Veröffentlichung mit Gitarrist und Band-Aushängeschild Jade Puget und sprachen über das Comeback, neue Verantwortungsbereiche und das Dasein im Duracell-Modus.
Jade, ihr wart lange Zeit auf Tauchstation. Welche Gefühle begleiten dich dieser Tage?
Jade Puget: Ich bin vor allem dankbar, dass wir im Grunde genau dort weitermachen, wo wir vor drei Jahren aufgehört haben. Natürlich hat sich während dieser Zeit viel verändert. Aber die Basis ist immer noch da. Das Feuer für die Band brennt immer noch – in jedem einzelnen von uns. Und das ist ein Gefühl, das mich unheimlich glücklich macht.
Hattest du Angst, dass sich am Fundament etwas geändert haben könnte?
Angst ist das falsche Wort. Es war eher ein Gefühl der Anspannung. Ich meine, wir haben uns ja nicht aus den Augen verloren. Wir hatten ständig Kontakt. Aber wir hatten fast drei Jahre keine Show mehr zusammen gespielt. Das ist schon eine verdammt lange Zeit.
Wie liefen denn die ersten Gigs seit der Pause? San Diego, die KROC Show… In den letzten Wochen wart ihr erstmals wieder live unterwegs. Alles geklappt?
Ja, wir haben jetzt einige ausgewählte Konzerte hinter uns. Die waren immens wichtig um wieder in Tritt zu kommen. Es lief zwar noch nicht alles perfekt. Aber es waren wichtige Stationen. Wir werden schließlich demnächst wieder groß auf Tour gehen. Da ist es wichtig, dass man nicht ins kalte Wasser springt.
Ihr werdet dann auch euer neues Album "The Blood Album" im Gepäck haben. Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es hätte aber auch anders laufen können. (lacht)
Was meinst du?
Dieses Album war eine große Herausforderung. Nachdem ich unseren Produzenten in der Vergangenheit immer fleißig über die Schultern geschaut habe, wollte ich diesmal selbst die Kontrolle übernehmen. Als Produzent schlüpft man allerdings in eine ganz andere Rolle. Das war nicht immer ganz einfach.
"Die Single-Auswahl war diesmal besonders schwer"
Was war denn der schwierigste Part?
Da war diese innere Stimme in mir, die mir immer wieder davon abriet, es alleine in die Hand zu nehmen. Mit der hatte ich ganz schön zu kämpfen. Auf der einen Seite war ich mir sicher, dass ich es schaffen würde. Auf der anderen Seite waren da aber auch Zweifel. Letztlich wollte ich nicht alle Schuld auf mich nehmen. Wenn es nach hinten losgegangen wäre, wollte ich nicht alleinverantwortlich dafür sein. Also entschied ich etwas Last von meinen Schultern zu nehmen und einen Co-Produzenten zu engagieren.
Matt Hyde hat bereits mit Machine Head, Monster Magnet, Slayer und No Doubt zusammengearbeitet.
Ja, Matt weiß, was er tut. Er hat den Dreh raus. Das war nicht nur gut für mich, sondern auch gut für uns. (lacht)
In meinen Ohren klingt das neue Album etwas rotziger als "Burials". Vor allem die punkigeren Songs präsentieren sich mit vielen Ecken und Kanten. War das so geplant?
Wir haben eigentlich gar nichts geplant. Es ist einfach so passiert. Beim Produzieren haben Matt und ich gemerkt, dass viele Songs ein kratzigeres Gerüst haben. Diese Basis haben wir dann versucht, zu bewahren.
Die erste Single "Snow Cats" kommt eher getragen daher, fast schon im Balladen-Modus. Warum habt ihr euch gerade für diesen Track als Albumvorboten entschieden?
Die Single-Auswahl war diesmal besonders schwer. Eigentlich hätten wir jeden Song auswählen können. Das Besondere an diesem Album ist, dass es zwar in sich stimmig und homogen klingt, aber jeder Song irgendwie auch komplett für sich steht. Ich meine, es gibt eigentlich keine typische Single auf dem Album. Daher kamen schlussendlich alle Songs in Frage.
Es sind auch wieder einige Songs dabei, die etwas poppiger klingen. Manch einer erinnert an New Wave-Rock aus den Achtzigern, eure Stil-Palette wird immer größer. Mit dieser Entwicklung rennt ihr bei vielen Neu- und Quereinsteigern offene Türen ein. Manche Fans der ersten Stunde hingegen gehen auf die Barrikaden. Wie geht ihr mit den Reaktionen um?
Wir lassen das alles nicht zu nah an uns rankommen. Natürlich interessiert uns die Meinung unserer Fans. Und da spielt es keine Rolle, ob einer schon seit Beginn am Start ist, oder erst seit zwei oder drei Jahren. Das ist völlig egal. Man muss als Künstler aber aufpassen, dass man sein Gesicht nicht verliert.
Wenn man sich zu sehr von außen leiten lässt und die Musik nur noch irgendwelchen Richtungen anpasst, dann geschieht nämlich genau das: Man verliert sein Gesicht. Man funktioniert dann nur noch wie eine Marionette, die nur noch das macht, was die Öffentlichkeit bestimmt. Wir wollen uns aber nicht leiten lassen. Wir wollen unseren musikalischen Weg selbst bestimmen. Das hat natürlich zur Folge, dass man unterwegs immer wieder mit Menschen und Meinungen konfrontiert wird, die es gerne anders hätten. Das ist nun mal so. Man kann es als Musiker nicht jedem Recht machen. Wenn man nur auf sich selbst hört, wird man immer irgendwo anecken. Das ist aber völlig ok.
"Ich bin jemand, der nicht stillsitzen kann"
Neben AFI hast du noch zwei andere musikalische Projekte am Laufen: Blaqk Audio und XTRMST. Sind diese beiden Projekte auch deshalb entstanden, weil Future-Pop (Blaqk Audio) und Straight Edge Hardcore (XTRMST) nicht ins AFI-Profil passen?
Blaqk Audio klingen schon ziemlich anders, da gebe ich dir Recht. XTRMST hingegen .... Ich weiß nicht. Da gibt es schon eher Parallelen. Ich kann dir gar nicht genau sagen, warum ich neben AFI, einer Band, die sich permanent weiterentwickelt, noch in zwei anderen Projekten involviert bin. Vielleicht bin ich nicht richtig ausgelastet. (lacht)
Schwer zu glauben.
Ja, das stimmt. Ich habe echt viel um die Ohren. (lacht) Aber ich bin auch jemand, der nicht stillsitzen kann. Und mit Davey (Davey Havok, AFI-Sänger und Co-Founder von Blaqk Audio und XTRMST) habe ich einen Seelenverwandten an meiner Seite, der ähnlich tickt. Wenn wir die Köpfe zusammenstecken, entsteht stets Neues. Das passt aber nicht immer zu AFI. Also bepflanzen wir neue Beete.
Wie gehen die anderen AFI-Mitglieder mit euren Nebenaktivitäten um?
Solange das große Ganze nicht darunter leidet, ist alles ok. AFI ist unser aller Hauptprojekt. Das war schon immer so. Und daran wird sich auch nichts ändern.
Inwieweit füttern sich die drei Bands gegenseitig mit Ideen und Sounds? Oder steht jedes Projekt für sich allein?
Grundsätzlich steht jede Band für sich allein. Es ist jetzt nicht so, dass wir beispielsweise ein neues XTRMST-Album aufnehmen, und gucken, was im Zuge dessen für AFI übrig bleibt. So läuft das nicht. Am Ende des Tages ist es aber dennoch so, dass alles irgendwie miteinander verwoben ist, und sei es nur vom Gefühl her. Das lässt sich schwer beschreiben. Vielleicht hakt der Vergleich ein wenig, aber nimm einen Basketballspieler, der nebenbei noch Fußball spielt. Wir reden von zwei verschiedenen Sportarten. Aber dadurch, dass der Spieler immer derselbe ist, entsteht automatisch eine Verbindung. Bei AFI, XTRMST und Blaqk Audio ist es ähnlich.
Unter uns: Auf welchem "Sportplatz" tobt sich Jade Puget denn am liebsten aus?
(lacht) Immer auf dem, auf dem ich gerade stehe.
1 Kommentar
Jade Puget ist übrigens der Gitarrist bei AFI, Davey Havok der Sänger. Und die erwähnte Hardcore-Band schreibt sich "XTRMST".
Dafür, dass der Interviewführende sich anscheinend nicht besonders für die Band interessiert, ist das Interview aber recht gelungen!