laut.de-Kritik
Deutscher Proto-Punk in der Moderne.
Review von Steffen EggertÜber vier Jahrzehnte wurschtelt sich der Frank Ziegert nun schon mit verschiedenen Inkarnationen seines Projekts Abwärts durch Hamburg und den Rest der Welt. Was man ihm dabei keinesfalls vorwerfen kann, sind mangelnde Motivation oder die im Punk ja beinahe schon übliche Marotte, immer den gleichen Stiefel durchzuziehen. Bei allem Wandel bleibt er sich allerdings in einigem treu, zum Beispiel seine meist zynisch-kryptischen Texte stets so zu singen, als spucke er auf alles und jeden.
Der Opener "Superfucker" versteht sich möglicherweise als Türsteher, den es erst zu überwinden gilt, bevor man die knarzige Post-Punk Venue betreten darf. Wie aus einer Garage tönen etwas dissonante Töne, während sich Franz Z. darüber beklagt, dass alle gut sind, er allerdings scheiße ist. Also klar, wer die bisherigen Werke kennt, weiß ja bereits auf was er sich einlässt, aber Neuentdecker*innen schlagen Abwärts damit zielsicher in die Flucht.
Ok, lassen wir das hinter uns, denn bereits mit "Allein Unter Flaschen" sind wir im eigentlichen Kern der Platten angekommen. Musikalisch geht die Nummer als Hybrid aus Post-Punk und Hamburger Schule durch, passt in die Clubs, man kann sich sogar dazu bewegen. Angenehme Melodien gibt es zuhauf, vor allem der Refrain bleibt dabei direkt im Kopf. Mehr noch, man ertappt sich auch nach dem Genuss des Albums noch beim Nachsummen.
Fies und arrogant kommt "Berlin Hopsasa" rüber, der Bass knarzt angestrengt, während die Gitarre klingt, als sei sie den Indieclubs des benachbarten Inselkönigreichs entliehen. Mit Punk hat das gute Stück ebenso wenig zu tun wie der Text mit hiesiger Mainstreamdichtung. Dennoch kommt man zum Schluss, dass Chefzyniker Zieger offenbar mehr für Hamburg als für die Hauptstadt übrig hat. Obwohl, oder vielleicht gerade weil hier alles leicht unsauber und windschief klingt, lässt sich ein besonderer Charme nicht verleugnen.
Auf die Frage, "Was Die Welt Jetzt Braucht", gibt es zwar keine wirklich befriedigende Antwort ("Schaufel voll Schnee"?), aber dafür den ersten recht emotionalen Song des Albums. Das Riff findet sich zwar mindestens einmal auf jedem Punkalbum der letzten 40 Jahre, aber selten singt ein so charismatischer Mensch dazu. Zieger klingt alt und auch etwas matt, was wiederum sehr authentisch wirkt. Leider höchstens medioker fällt das sehr entfernt an AC/DC erinnernde "Propaganda Ist" aus, bevor mit "Tief In Deutscher Seele" wieder alte Qualitäten und eine Eigenständigkeit aufkeimen. Merklich mehr Druck und eher dezente Melodien, mit scheppernder Neo-Mod-Rock Begleitung und einem ordentlich düster-pissigen Gesang.
Das unangefochtene Highlight stellt eindeutig das fiese "Seid Verdammt" dar. Gerade rechtzeitig, bevor der Wunsch nach mehr Geschwindigkeit und auch etwa Abwechslung aufkommt, kommt dieser waschechte Punksong um die Ecke. Verspielt wechseln die Hamburger zwischen lauten und leiseren Parts, während der Sound sehr angenehm an andere Genregrößen der 70er Jahre erinnert. Das mit hämischem Kinderchor unterlegte "Der Beschiss Lauert Überall" bricht kurz die Stimmung und kommt förmlich gut gelaunt daher, wobei die Überraschung tatsächlich eher angenehm ausfällt. Man meint zudem zum ersten Mal den hauptberuflichen Arzt Rodrigo González raus zu hören, auf dessen Initiative die letzte Reunion von Abwärts zustande kam.
"Gottes Falsche" baut gegen Ende hin erneut etwas mehr Druck auf und sprenkelt die Szenerie zusätzlich mit düsterem 80s-Wave. Ein cooles Solo hier, einen Basspart da und auch hier gibt es abgesehen vom etwas stumpf gereimten Text absolut nix zu meckern. Dafür beim abschließenden "I Can’t Escape Myself". Was hier als mit Synthesizersounds und Plastikdrums unterlegtes Halbakustikstück beginnt, steigert sich irgendwann in ein experimentelles, scheppes Geknarze. Nicht jeder sollte auf Englisch singen, das hat Sven Regener schon vor vielen Jahren erkannt.
Alles in allem sticht "Superfucker" nicht aus der bisherigen Diskografie des Kollektivs heraus, was allerdings mit ein paar mehr Krachern wie "Seid Verdammt" durchaus möglich gewesen wäre. Wir freuen uns auf nächste Mal.
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