20. Februar 2005

"An Amerika kann man sich orientieren"

Interview geführt von

The Return of the Reimemonster. Nach dem kontroversen ASD-Projekt mit dem Hamburger Samy DeLuxe erscheint Ende Februar das mittlerweile dritte Soloalbum von Afrob, "Hammer". Auf der Gästeliste des Eritreaers findet man neben den üblichen Verdächtigen wie Max Herre und Samy auch die Produzenten Needlz, Young RJ und Wajeed. Ein Grund, genauer nachzufragen ...

Du bist als Jugendlicher nach Stuttgart gekommen und im Sog der Kolchose zum landesweit bekannten Rapstar avanciert. In den letzten Jahren wurde es jedoch spürbar ruhiger um "Benztown", die meisten Veröffentlichungen stammten aus Berlin. Nimmt die Kolchose eine kreative Auszeit, oder ist schlicht die Luft raus?

Afrob: Naja, ich bin zumindest noch da, insofern habe ich mir darüber bisher keine Gedanken gemacht. Kreative Pausen gibt es immer. Die Frage ist nur, ob man wirklich solche Überschriften braucht wie "diese Stadt wird repräsentiert" oder "Kolchose" und so. Es ist normal, dass Menschen sich nach einer Weile auseinander leben. Das ist wie bei anderen Menschen auch, es zeigt aber auch, wie echt diese Sache damals für uns war. Es war kein zusammengefakter Haufen, das waren alles Kumpels. Und du weißt ja selber aus deinem Freundeskreis: Du hast mit welchen gechillt, und die sind jetzt mehr mit anderen unterwegs, und du machst nicht mehr so viel mit ihnen, das Verhältnis bleibt aber nach wie vor gut. So kann man das am besten beschreiben. Das ist okay, man kann nicht die ganze Zeit auf einem Monopol sitzen. Klar, dass es da noch andere Leute gibt.

Würdest du die Kolchose als tot beschreiben, wie es DJ Friction letztes Jahr in einem Interview tat?

Sie existiert nicht mehr in dieser Form. Die Leute gibt es noch alle, sie treffen sich auch nach wie vor und machen zusammen Musik, aber man ist nicht mehr ständig als Pulk unterwegs und auf Tour. Das ist schon anders. Es ist so noch glaubwürdiger, als wenn man jetzt versuchen würde, das Ganze künstlich am Leben zu erhalten, oder?

Du hast für dein neues Album viele Beats von international anerkannten Produzenten wie Wajeed oder Megahertz verwendet. Wie darf man sich das vorstellen? Bestehen da persönliche Kontakte, oder habt ihr richtig klischeehaft aus dem Katalog eingekauft?

Ich finde, so kann es auch mal sein. Es ist schlimm zu sagen, es sei oberflächlich, wenn man mit Amerikanern Business macht. Die Manager telefonieren hin und her und so ... so etwas gibt es auch in Deutschland. Das Besondere an den Amerikanern ist, dass es dort über das Business hinaus geht. Man trifft sich auch, chillt zusammen, übernachtet bei denen, telefoniert auch mal so und redet über normale Sachen, nicht nur über Beats. Das ist ein ganz normaler Vorgang: Du rufst da an, sagst: "Hey, ich mache hier gerade eine neue Platte, hast du nicht ein paar Beats für mich?" - dann kriegst du die Beats geschickt und suchst dir welche aus. Ich muss jetzt nicht extra da hinfliegen, um ihm die Hand zu schütteln und mit ihm im Studio gewesen zu sein, nur damit es für mich moralisch vertretbar ist, den Track mit ihm zu machen. Weißt du, ich kenne ihn ja - oder ich könnte die Leute zum Teil auch kennen, ich habe jetzt nicht alle getroffen. Ich brauche das auch nicht. Zum Teil habe ich mir die Files auch einfach schicken lassen.

Der Trend in Deutschland geht hin zu Amerika-orientierten Beats, mehr in die Poprichtung. Würdest du sagen, Deutschrap braucht diese Internationalisierung, oder verliert er damit seinen eigenen Flair, das, was ihn erst so erfolgreich hat werden lassen?

An Amerika kann man sich orientieren, das ist schon okay. Ich persönlich stehe allerdings darauf, wenn man dem Album anhört, dass es aus Europa kommt. Ich feiere auch immer die Beats, bei denen man das Europäische heraushört. Der Großteil meiner Beats ist ja nicht aus Amerika, nicht einmal die Hälfte. Der Rest stammt nach wie vor aus Deutschland. Ein guter Mix. Desue hat Beats beigesteuert, DJ Rocky (überlegt)... sogar J-Luv hat einen. Ich bin also auf jeden Fall gut bestückt mit deutschen Producern.

Ich denke, viele deiner Fans hätten sich einen dritten Teil des "Reimemonsters" gewünscht. Auf dem ASD-Album hattest du mit "ASD" ja auch einen Track, der viele Parallellen aufweist. Hat Samy einfach Ferris ersetzt?

Nee, ersetzt nicht. Ich tausche ja keinen aus. Nur weil ich mit Samy ein Album gemacht habe, heißt das ja nicht, dass ich mit Ferris nicht mehr cool bin oder so. Aber noch ein "Reimemonster" zu machen, einen dritten Teil, das wäre mir zu viel gewesen. Wir haben zwar darüber geredet, aber da war die Arbeit an der Platte schon viel zu weit fortgeschritten. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass es noch mal einen Part geben wird. Es ist okay... wir machen auf jeden Fall noch mal was zusammen. Vielleicht ein "Reimemonster", vielleicht auch nicht. Das ist das Gute, ich weiß es nicht mal selber.

Das ASD-Projekt polarisierte seinerzeit sehr. Manche fanden es auch international wegweisend, andere wiederum kritisierten es. Liegt es an den negativen Stimmen, dass ihr jetzt wieder solo unterwegs seid?

Nein. Wir sind als Solokünstler zusammen gekommen und machen nach ASD wieder als Solokünstler weiter, ist doch ganz klar. Auch das mit den Kritiken ist völlig klar. Ich weiß doch, was passiert, wenn wir beide eine Platte zusammen aufnehmen. Manches ist gerechtfertigt, manches nicht, mit Kritik habe ich gar kein Problem. Wenn jemand die Platte nicht gut findet und das auch begründen kann, dann ist das ja okay. Ich allerdings finde das Album wegweisend, es ist ein sehr gutes Album. Und die Krtitik war eh nur dummes Gequatsche (lacht). Ja ist doch so, da kam doch nichts, was man ernst nehmen konnte. Es hieß immer, dass es nur um das Geld ginge, oder Samy das mit mir macht beziehungweise ich mit ihm... um solche Sachen eben. Das Drumherum. Um die Musik ging es ja eigentlich nie.

Mein geschätzter Kollege verglich euch in der Review mit Method Man und Redman, meinte aber, ihr passt nicht gut genug zusammen. Wie siehst du das?

Naja, ich weiß nicht. Passen Method Man und Redman jetzt so gut zusammen? Ich finde nicht, dass die auf den ersten Blick wie Brüder sind. Was soll ich dazu sagen? Dann passen wir eben nicht zusammen wie Method Man und Redman. Wollte jemals einer von uns so sein? Ich nicht. Samy auch nicht. Wenn einer schreibt, wir wollen so sein, dann hat er das halt geschrieben. Ist voll die Unterstellung. Das sind immer die Leute, die Vergleiche ziehen wollen. Wir haben nie darüber geredet, dass wir wie irgendwer sein wollen. Wir haben sogar alles versucht, dass diese Vergleiche von uns ferngehalten werden. R. Kelly - Jay-Z oder Method Man - Red Man, oder wie die ganzen Collabos heißen.

Würdest du sagen, dass es noch einmal ein ASD-Album geben wird?

Ich kann es nicht ausschließen, ich will es auch gar nicht ausschließen. Die Leute sollen sich echt darauf gefasst machen, dass das auch passieren kann.

Aber geplant ist nichts Konkretes?

Bis jetzt noch nicht. Ich fange ja auch erst an, mein Album herauszubringen, zu promoten und so. Das dauert jetzt erst mal ein ganzes Jahr, und wenn ich damit fertig bin - mal gucken.

Wie sah deine Zusammenarbeit mit RZA aus?

Das war ganz cool. Am Anfang ist man natürlich noch ein bisschen distanziert. Genau wie in Deutschland auch, wenn man sich noch nicht kennt. Aber wenn dann jeder gerappt hat, dadurch gibt man ja auch seine Intimität preis, lockert sich das alles schnell auf. Man merkt, da geht was, und dann gibt man sich Respekt. Es ist echt locker, da wird abgeklatscht, man freut sich. Der Track ist ja auch gut geworden, weißt du? Er hat sich auch echt gefreut und meinte, ich hätte das Ding auseinandergenommen und so. 'You killed this track. It's all good' (lacht). Ich war jetzt auch bei ihm, als ich in New York war, bin ich zu ihm ins Studio und habe ein bisschen gechillt. Solche Sachen meine ich: Ich bin da, ruf ihn an, er kommt, wir chillen im Studio.

Gibt es Pläne, noch mal mit ihm zusammen zu arbeiten?

Wenn sich mal etwas ergeben würde, warum nicht? Ich habe gerne mit ihm zusammen gearbeitet, er ist ein sehr interessanter Mann, sehr intelligent. Es ist spannend, zu hören, was er so zu erzählen hat, seine Philosophie von Sound. Daraus macht er auch keinen Hehl - er ist sehr offen und macht nicht einen auf geheimnisvoll. Sehr locker.

Kool Savas bezeichnete RZA im Interview als eher reservierten Menschen. Davon hast du also nichts gespürt?

Nein, überhaupt nicht.

Früher hast du mit Charnell zusammengearbeitet, jetzt wieder mit den Spezializtz. Wie ist deine Einstellung gegenüber Sido oder AggroBerlin generell?

Die sind mir egal. Skillzmäßig muss mir nicht alles gefallen, was die so machen, aber im Großen und Ganzen sind sie mir echt egal.

Du würdest also nicht sagen, dass man sich als deutscher Rapper entscheiden muss, wie man zu Aggro steht. Gerade jetzt bei den ganzen Disstracks ...

(Lachend:) Man blickt da ja gar nicht mehr durch. Es ist mir echt egal. Ich mache mir keine Gedanken über diese Leute, so lange die mir nicht ans Bein pissen.

Noch eine Frage zu deinem Projekt mit dem Eritrea-Hilfswerk...

Also dazu kann ich gar nicht so viel sagen. Das ist auf jeden Fall in Planung. Ich war in der letzten Zeit nur zu beschäftigt mit der Platte, um mich richtig darum zu kümmern. Aber das Artwork für T-Shirts, deren Erlöse dann gespendet werden, ist schon fertig. Wir wollen über Merchandise und Benefizkonzerte versuchen, dort ein paar Projekte zu pushen. Ich komme ja ursprünglich aus Eritrea , da ist es ja klar, dass ich mich da ein wenig für einsetze. Ich mache ja alles Mögliche ...

Das habe ich zum Teil auch erst jetzt erfahren. Wie genau lief denn dieses Projekt mit den Brothers Keepers in ostdeutschen Schule ab?

Das war eine krasse Erfahrung. Einfach mal zu sehen, wie die Leute dort leben. Unabhängig davon, wie die Situation dort ist, wegen der wir dorthin gefahren sind. Der ganze Rassismus-Scheiß und so. Auch zu merken, dass die Leute da ganz andere Sorgen haben, als sich um solche Sachen zu kümmern. Das muss man auch erst mal wissen, bevor man dort hingeht und denen erzählt, wie sie zu leben haben.

In welchen Städten wart ihr denn?

Keine Ahnung... auf jeden Fall weit weg. Wir waren in Mecklenburg-Vorpommern ... aber wie die Orte da heißen, weiß ich nicht. Egal, irgendwo. Ganz schlimme Gegend.

Das Interview führte Philipp Gässlein

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