laut.de-Kritik
Die Folkpunk-Piraten versenken Genregrenzen.
Review von Robin BrodtEs gibt ja Bands, die rein instrumentell damit experimentieren, wie sie Musik mit emanzipatorischem Anspruch machen und der Kulturindustrie am gepflegtesten den Mittelfinger zeigen können. Das ist die Sache der vorliegenden Platte von Ahead To The Sea nicht.
Die siebenköpfige Formation bevorzugt wieder die bewährte AgitProp-Art mit deutlichen Ansagen, um der herrschenden Politik musikalisch in den Hintern zu treten. Und sie führen ihre anarchistischen Lockerungsübungen werden denn auf einem musikalischen Klangteppich aus, der sich im Vergleich zu ihrem Erstling "Urban Pirate Soundsystem" nochmals vielseitiger zeigt.
Los geht's allerdings mit astreinem Folkpunk, der sich im Verlauf der ersten drei Tracks melodisch, aber bestimmt einem punkigen Höhepunkt nähert, bevor sich im Instrumental "Lads Of Laois" die Geige wieder wohltuend nach vorne spielt. Im folgenden "Stop Right Now" kulminiert der für ATTS typische Wechsel-Gesang bzw. -Rap dann plötzlich in einem Dancehall-Intermezzo, bevor es mit Skapunk auf französisch weitergeht.
Einfältigkeit kann man den Jungs und Mädels also wirklich nicht vorwerfen, und nach einigen Stücken, die wohl nicht zufällig etwas an Chumbawamba erinnern, versuchen sich die Schwarzwaldpiraten gar in südöstlichen Musikgewässern, Flamenco-Gitarre und schräge Tonleiter inbegriffen. Das nun wie in der Selbstbeschreibung als "Mestizo" zu bezeichnen, fällt mir schwer, dafür dominiert der Folkpunk in diesen Stücken dann doch zu sehr.
Einen Vergleich oder die Suche nach einer Schublade haben Ahead To The Sea aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt eigentlich gar nicht nötig. Am Ende jedenfalls begeistern sie mich als Offbeat-Anhänger sogar noch mit zwei Dub-Nummern, auf "Doomshock Dub" dürfen sich als Krönung alle des Spanischen Mächtigen über eine poetische Einlage freuen, mit dem "alten Antonio", einer Fabelfigur des Sprechers der zapatistischen Guerilla in Mexico, Subcomandante Marcos. Klingt aber auch ohne Sprachkenntnisse gut und lässt das Album nach den schnelleren Stücken zuvor gediegen ausklingen.
Durchhänger gibt es auf dem Album eigentlich nicht, lediglich bei "Jetzt Erst Recht Und Sowieso" und dem darauf folgenden "Hannes" stößt mir der teils dialektgeschwängerte Gesang auf deutsch etwas komisch auf. Ich bin durchaus Musik nicht abgeneigt, die jenseits der Erhabenheit des Instrumentals gegenüber der kritisierten politischen Sphäre die Zustände auch textlich konkret angeht. Hier wirkt der Songtext an manchen Stellen aber so sehr pamphlet-artig, dass er auf dem anspruchsvollen musikalischen Fundament einfach zu trivial erscheint.
Zusammen mit der hörbar musikalischen Weiterentwicklung überzeugt die Vorstellung hier aber durchaus, die Ahead To The Sea mit einer klaren Positionierung beginnen - "Unpolitically don't think so / this is Folk-Punk Radio!"
1 Kommentar
Warum diese Rezension hier allerdings unter HipHop eingeordnet ist, will sich mir nicht so ganz erschließen...