laut.de-Kritik

Der wuchtige Angriff eines Rap-Underdogs.

Review von

Mit "Minus" fing Ahzumjot noch mal von vorne an. Nachdem vor einem halben Jahrzehnt die Hypes um Casper und Cro die deutsche Rapszene fest im Griff hatten, ließ sich auch Alan Julian Asare zu einem Majordeal hinreißen. Das Ergebnis war das keineswegs schlechte, aber irgendwie glatte "Nix Mehr Egal". Der ganz große Erfolg blieb damals dennoch aus, was als Katalysator für die Wende in Ahzumjots Schaffen begriffen werden kann.

Seit der "Minus"-EP ist sein musikalischer Ansatz unverkrampfter und damit zugleich experimenteller und eigenständiger geworden. Hiervon legte er nicht nur mit den letzten Tapes "16QT02: Tag DREI" und "Die Welle" ein eindrückliches Zeugnis ab. Auch mit seinem neuen Album "Luft & Liebe" setzt er diesen Weg zielstrebig fort.

Ein großes Thema bleibt dabei die Emanzipation vom Rest der Szene. Er bemüht sich um Abgrenzung, allerdings ohne dabei in eine verbitterte Antihaltung zu verfallen. Vielmehr will er sich angriffslustig mit anderen messen, um so seine eigenen Qualitäten herauszustellen. Ahzumjot begreift sich als Underdog und startet seinen Angriff auf Deutschrap: "Ich schieße wie 'pew pew', verrate dabei aber nie meine Tarnung. / Fliege so tief, bleibe unter'm Radar, Überraschungseffekte, als hätte ich Camo."

Ahzumjots Fertigkeiten in Sachen Flow und Delivery sind dabei derart on point und dynamisch, dass sein unverblühmtes Selbstbewusstsein durchaus gerechtfertigt scheint. Auf "Limbo" etwa rappt der Protagonist mit Autotune-Stimme einen immens straighten Part, den er mit reichlich Variationen und Wendungen im Flow spickt. Unterstützung kommt von einem Casper in Topform, der durch schwindelerregende Reimketten und teils absurde Vergleiche die Mittelfinger-Attitüde des Songs unterstützt.

"Lowkey" mit Chima Ede schlägt in eine ähnliche Kerbe. Hier rechnet Ahzumjot in einem rasant gerappten Part mit der Falschheit unter den Menschen ab. Dabei klingt jedes Wort so, als wäre es mit Bedacht gesetzt, die Struktur in Alans Sprechgesang bleibt abwechslungsreich und unvorhersehbar.

Doch es sind nicht die ausgezeichneten Rapskills, die "Luft & Liebe" zu Ahzumjots bisher stärksten Platte machen. Denn der junge Künstler ist nicht nur ein tiefgründiger Texteschreiber, er ist auch ein extrem variabler Beatproduzent. Seine Instrumentals atmen wie seine Raps deutlich die Luft amerikanischer Vorbilder und haben trotzdem eine eigene Identität. Er liefert keine einfachen Tracks, sondern Songs mit Eigenleben. Je nach Stimmung steigert, senkt oder wandelt er die Struktur innerhalb der Lieder ab. So entsteht eine dichte Atmosphäre, die Ahzumjots Auseinandersetzung mit sich selbst komplexer erscheinen lässt, als man zunächst annehmen könnte.

Denn obwohl Musik für den Rapper mittlerweile wie ein Befreiungsschlag wirkt, so bedeutet das Versinken darin zugleich die Abkapselung von den Menschen, die ihm wichtig sind. "KDDDV" und "Geh Nicht" sind Songs, in denen er diese "Dämonen im Kopf" thematisiert. Hier zeigt Ahzumjot am deutlichsten, dass sein Schaffen vor allem vom Ineinandergreifen seiner Talente lebt: vom lyrischen Feingefühl, über die Raptechnik und dem wirkungsvoll eingesetzten Gesang, bis zur instrumentellen Untermalung. Mit dieser Verbindung hüllt er das Album in eine vielschichtige Stimmung zwischen Melancholie, Hoffnung und Selbstbehauptung.

"Luft & Liebe" ist weniger leichtfüßig, als der Titel vermuten lässt. Es ist außerdem kein Werk, das frei von der Orientierung an Trends bleibt. Doch diese versieht Ahzumjot mit einem gänzlich eigenen Ansatz. Durch die erzwungene Abschottung wurde seine Musik nicht nur eigenständiger, sondern eben auch detailverliebter. So bleibt die Platte ein wuchtiger Beweis für seine Weiterentwicklung - und die Erkenntnis, dass Unabhängigkeit als Nährboden für Kreativität nicht zu unterschätzen ist.

Trackliste

  1. 1. Alles
  2. 2. Gut In Der Nacht
  3. 3. Limbo
  4. 4. Fuccbois Freestyle
  5. 5. Lowkey
  6. 6. Lowkey Edit
  7. 7. Geh Nicht
  8. 8. Luft & Liebe
  9. 9. Interlude
  10. 10. Koordinieren
  11. 11. KDDDV

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