laut.de-Kritik

Dem Zeitgeist nicht abgeneigt und stets auf Homogenität bedacht.

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Als ich "Nix Mehr Egal" zum ersten Mal höre, ziehen hinterm Autofenster moosbewachsene Vulkanlandschaften, ausladende Gletscher und plätschernde Flüsse aus Schmelzwasser vorbei. Eigentlich kaum zu glauben, aber die Platte gibt einen angemessenen Soundtrack für dieses surreale Szenario ab. Das opulente Gewand steht ihr bestens, soll sie aus ihrem talentierten Schöpfer doch endlich eine feste Deutschrap-Größe machen.

Die Rede ist von Ahzumjot. Ja, auch der nahm 2011 bei Mixery Raw Deluxe in einer Runde junger Rapper Platz, die Moderator Falk Schacht unter dem Titel … ach, lassen wir das. Ganze drei Jahre sind jedenfalls seit dem achtbaren DIY-Debüt "Monty" vergangen. Zwischenzeitlich kam der MC bei Universal unter. Das sollte doch ausreichen, um eine gesunde Erwartungshaltung zu rechtfertigen – und Ahzumjot einen Hoffnungsträger zu schimpfen.

Der 24-Jährige enttäuscht weiß Gott nicht, sondern bringt vieles mit: eine merklich geschärfte wie variable Technik, eine passable Gesangsstimme für Ohrwurm-Hooklines ("Besser Jetzt Als Spät"), mindestens einen Hit ("Es Ist Gut Wie Es Ist") – und mit Nikolai Potthoff (Leslie Clio) und dem Jugendfreund Levon Supreme eben auch zwei überaus findige Produzenten. Dem Zeitgeist keineswegs abgeneigt, aber stets auf Homogenität und Handschrift bedacht, bringt das Trio astreine Pop-Nummern mit Chören und Streichern ("Für Immer"), ungewöhnlich konstruierte Synthie-Arrangements ("Geschichte"), vereinzelte Gitarrenriffs ("Schlaraffenland") und Future-R'n'B ("Raumschiff") unter einen Hut.

Schade, dass Ahzumjot da textlich nicht immer mithält. Der mit Abstand persönlichste Track "Vier Minuten" geht für eine derart umfängliche Familiengeschichte viel zu wenig unter die Haut. "8701" weckt mit Lines wie "Bist Sex On The Beach, die ander'n nur Soda / Bist Ewigkeit, die ander'n ein Monat" unangenehme Erinnerungen an Cros flachen "Melodie"-Lovesong "Hey Girl" – nur musste der eben keinem derart erhabenen Instrumental gerecht werden.

"Häufig geht es auch um ähnliche Themen. Diese Generation Y, Perspektivlosigkeit und so weiter", brachte Olson kürzlich im laut.de-Interview die ursprünglichen Gedanken seiner Rap-Generation auf den Punkt. Diese finden sich auf "Nix Mehr Egal" ebenfalls hinreichend wieder. "Ich bin nicht zu gebrauchen, darauf stoß ich an", heißt es etwa in "Wann Bin Ich Dran". Ahzumjots Leben: "ein Exkurs, bei dem ich mich sogar noch verfahre." ("Raumschiff")

"Ich räum meine alte Wohnung / da war eh nicht genug Platz / für die Träume, die ich hab' / ich war hier nur zu Gast", proklamiert er schießlich in "Zu Gast" den Aufbruch. Das tut alles nicht weh und da steckt insgesamt auch viel Wahres drin – aber wirklich spektakulär wirkt es auf Dauer eben auch nicht.

Die logische Konsequenz? Die erste Single "Der Coolste Motherfxcker", hinter der man anfangs nur eine Spaß-Auskopplung vermutet hatte, steigt zum Faszinosum der Platte auf. Einfach weil Ahzumjot hier gekonnt wie selten auf zwei Ebenen textet. Einerseits gelingt ihm die erste Hipster-Abhandlung seit Kraftklubs "Ich Will Nicht Nach Berlin", bei der man nicht vor Fremdscham wegklicken möchte. Andererseits darf sich jeder, dem Ahzumjots Chefstyler-Gehabe schon mal auf die Neven ging, über eine überschwängliche Ration Selbstironie freuen.

Auch wenn die musikalische Ausgestaltung hier mal etwas puristischer ausfällt: Die Ambition, einen Deutschrap-Klassiker der Marke "XOXO" zu schaffen, schwingt auf "Nix Mehr Egal" in jeder Drumspur, in jedem Synthie-Muster und in jeder Hookline mit. Doch für den ganz großen Wurf enthält das Album letztlich zu wenig Lines mit Edding-Tag-Potenzial - und ein, zwei Belanglosigkeiten zu viel ("Immer Held"). Für seine liebevolle Produktion und die Hand voll wirklich guter Songs wird man Ahzumjots zweiten Streich trotzdem für ein paar Jahre in guter Erinnerung behalten.

Trackliste

  1. 1. Wann Bin Ich Dran
  2. 2. Für Immer
  3. 3. Es Ist Gut Wie Es Ist
  4. 4. Schlaraffenland
  5. 5. Besser Jetzt Als Spät
  6. 6. Geschichte
  7. 7. Vier Minuten
  8. 8. 8701
  9. 9. Immer Held
  10. 10. Der Coolste Motherfxcker
  11. 11. Raumschiff
  12. 12. Zu Gast
  13. 13. Tag Eins

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