laut.de-Kritik
Gülcan und Katie Price sind sicher große Fans.
Review von David HilzendegenWas waren das Zeiten, als "X-Factor" noch bedeutete, dass Commander William Riker allwöchentlich durch allerlei mysteriöse Geschichten führte. Erfunden oder wahr, war damals die Frage. Eine Problemstellung, die sich bei Alexandra Burke erübrigt.
Die nämlich ist die Gewinnerin der fünften Staffel der britischen Castingshow "X-Factor" und dementsprechend nicht mehr als ein Produkt. Die beiden Sendungen unterscheiden sich eigentlich nur wenig. Gemessen an "Overcome" ist auch die musikalische Ausgabe ein einziges Gruselkabinett.
Auf Dezember 2008 datiert Burkes Triumph. Nach einem Gemeinschaftshit der damaligen Finalisten und dem Cohen-Cover "Hallelujah", die es beide nicht über den Ärmelkanal schafften, ward auch auf der Insel lange nichts gehört. Zum Glück erklärt sich Flo Rida bereit, nach Kesha ein weiteres Mal als Karrierestütze und Initialzündung zu dienen.
In die deutschen Top 20 ist sein Feature "Bad Boys" eingestiegen. Als wären die Radios nicht schon voll mit einschläfernd dümmlichen, auf Elektro getrimmten Popnummern mit Hip Hop-Anleihen. "Yeah the bad boys are always catching my eye. I said the bad boys are always spinning my mind" Das sind wohl die drängendsten Probleme von pubertierenden 14-Jährigen. Womöglich einer der Gründe für den Erfolg.
Glücklicherweise ist sich Alexandra Burke ihrer Verantwortung für die Zielgruppe bewusst: "All the ladies tell their fellas we can do what they can do. We can do it even better in broken heels" Die komplette Aussage einer ganzen Generation feministischer, emanzipatorischer Bewegungen zusammengefasst in einem einzigen Refrain: Wir Mädels können mithalten, sogar wenn unsere Schühchen am Arsch sind. In der Not einfach Titten raus und Attacke. Gülcan Kamps, Daniela Katzenberger und Katie Price sind sicher große Fans.
Aber wer erwartet bei solchen Vorzeichen schon Inhalt abseits von Jungs, Schuhen, Sex und Party? Und das auch noch von einer Sängerin, die ihrer Homepage die Rubrik "Style" verpasst hat, in der sie Presseberichte über ihre Klamotten sammelt. Am schlimmsten ist ohnehin, dass Burke diese Nullaussagen mit einem Pathos vorträgt, als seien damit alle Probleme der Menschheit auf einen Schlag gelöst. Dabei kann sie doch tatsächlich mehr, "You Broke My Heart" offenbart eine beinahe rauchige, soulige Stimme mit ordentlich Groove. Wieso denn nicht mehr davon?
Wahrscheinlich, weil die Scheinchen nicht so schön flattern, oder? "I don't need material things, to represent myself" ("Nothing But The Girl") Man darf gespannt sein, ob die Londonerin nicht bald in eine Millionenvilla mit fünf Bädern und zwei begehbaren Kleiderschränken zieht, und wann das erste Kamerateam die Hütte von innen besichtigen darf.
Denn die Masche funktioniert mal wieder, im Vereinigten Königreich ist "Overcome" bereits im letzten Jahr erschienen und umstandslos auf Platz eins geklettert. Das Mysterium der von RATM geklauten Pole Position zur letzten Weihnacht bleibt die Ausnahme. "X-Factor" ist halt doch nicht "X-Factor".
1 Kommentar
Wo ist die Review dazu? ô_O