laut.de-Kritik
Gute Stimme, ausgefuchste Arrangements, ein paar Ausrutscher.
Review von Sven KabelitzSchiefsitzendes Kassengestell, blonde Locken und Hippie-Outfit - seit Chris Barron, dem Sänger der Spin Doctors, dürfte uns nicht mehr ein solcher Waldschrat untergekommen sein. Doch wer sich vom Outfit des Zottelbocks in die Irre führen lässt, hat schon verloren. Wie sagte schon Altkanzler Helmut Kohl einst so weise: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“
Auf "Allen Stone" findet sich nicht etwa nach Räucherstäbchen muffender Hippie-Indie-Rock wieder, sondern Blue Eyed Soul mit einem leichten Hang zum Rock. Die eindrucksvolle Stimme des Sängers unterstützen Raphael Saadiqs Rhythmusgruppe und Tower Of Power. Ein Korsett, mit dem man eigentlich kaum etwas falsch machen kann.
Die großen Vorbilder des Soul-Hippies sind Stevie Wonder, Marvin Gaye, Donny Hathaway und Bill Withers. Aus allen Ecken des Longplayers strahlt ihre Aura entgegen. Anstatt über verflossene Liebe zu palavern, setzt sich Stone in seinen Texten kritisch mit seiner Umwelt auseinander. Er hat jede Variation seiner Vorbilder verinnerlicht und in sein Repertoire aufgenommen. So ganz verstanden hat er sie aber leider nicht.
Dass er es im Grunde drauf hat, beweist der Barde und Reimeschmied in "What I've Seen". Klassisch angefunkt erinnert er spätestens im Refrain an Stevie Wonders Hochphase in den 1970er und Großtaten wie "Superstition", "Higher Ground" oder "Living For The City". Das Sahnehäubchen für diesen herrlich groovenden Slow-Mo-Funk bildet das ausgefuchste Bläser-Arrangement.
Nicht weniger eindrucksvoll, aber kuschelig wie ein Bärenbaby lädt Stone mit dem Anmut eines Al Green zu "Celebrate Tonight" ein. Lasst den Alltagsstreß unser sich immer schneller im Kreis drehenden Gesellschaft hinter euch und fühlt euch wohl im Moment, "Forget All The Preassure From All Of Your Deadlines"! Viel weiter von einem Wiegenlied könnte hingegen der ein wenig zu hektische Gospel "Sleep" kaum entfernt sein.
Stone weiß, wo er hin möchte. "Ich bin müde von all der Soul-Musik, die frisch sauber und korrekt klingt. Denn meine Seele ist ein wenig schlüpfrig." Wie diese Einstellung allerdings zu Songs wie "Say So" passt, bleibt ein Rätsel. Locker flockig aus der Hüfte und ein fröhliches "Jitterbug" hinterhergerufen kippt die Stimmung nun beängstigend in Richtung Wham!. Vergnügt schnipsend legt Stone einen Bauchplatscher im Kinderpool für seichte Soul-Pop-Musik hin. Wahrscheinlich gehört er auch zu jenen lustigen Vögeln, die sich "Wake Me Up Befor You Go-Go" zu ihrem Begräbnis wünschen.
In seiner effekthascherischen Lautstärke wirkt "Satisfaction" (nein, nicht das von den Stones) missgestaltet. Die zentrale Ballade "The Wind" bleibt weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Schnell entgleitet das Stück dem Sänger und seiert über fünf endlos erscheinende Minuten vor sich hin. "Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht woher er kommt und wohin er geht." - Johannes 3,8
Auf den Schlussmetern versöhnt der Fusselkopf mit "Unaware" noch einmal für die banalen Ausrutscher. Sein Falsett zittert warm und gefühlvoll über den aufmüpfigen Groove. Selbst ein kurzer Ausbruch in den Jazz ist gestattet.
Technisch verfügt "Allen Stone" über alle Möglichkeiten, bringt diese aber zu selten auf den Punkt. Die meisten der zehn Songs dudeln vor sich hin, ohne zu berühren, gleichzeitig bleibt es unmöglich, das Potentzial dieses Künstlers zu übersehen.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich habe Ihn am 21.09. bei dem beackball festival in Santa Monica, CA gehört bzw. gesehen, neben Grössen wie Maceo Parker. Er hatte bei diesem Event das Schlußlicht und ich muß sagen der Kerl hat mich vom Hocker gerissen, er war frisch, motivierend, lebendig, hat jede Menge Spass gemacht und die komplette Meute mitgerissen. Ich hoffe er wird uns bald in Deutschland mit einem Konzert beglücken. Ich bin sofort dabei!!! Allan, thank you for a unforgettable evening ((o:
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.