26. Februar 2013

"Plötzlich stand Dave Grohl vor uns"

Interview geführt von

Urplötzlich tauchen Ende 2012 vier nordenglische Jungs in den obersten Gefilden der laut.de-Jahresliste auf und räumen darüber hinaus auch noch den begehrten Mercury Prize ab.Wenige Monate später sitzen 75 Prozent von Alt-J im Backstage des Astra Kulturhauses in Berlin. Zwischen dem Glamour der soeben verliehenen Brit-Awards und dem ruppigen Tour-Alltag sprechen sie mit uns über den Starrummel und geben außerdem einen Einblick in ihren kryptischen Namen.

Ihr kommt ja gerade erst von den Brit-Awards vor wenigen Tagen zurück. Seid ihr traurig oder vielleicht sogar ein wenig erleichtert, dass ihr keine Trophäe in den drei Kategorien gewonnen habt, in denen ihr nominiert wart?

Gwil: In der Publikumskategorie waren wir schon ein wenig enttäuscht. Die nennt sich Best Breakthrough, das wäre schön gewesen, wenn wir die gewonnen hätten.

Gus: Was Best British Album angeht – wir hatten nicht das beste Britische Album letzten Jahres! Emeli Sandé hat das gewonnen, die ja auch das am meisten verkaufte Album im letzten Jahr hatte. Sie hat Großbritanien in Sachen Mainstream-Musik 2012 vollkommen dominiert und zu Recht gewonnen. Außerdem hat sie Integrität und ist kein zusammen gebastelter Popstar. Best British Group sind wir auch nicht. Vor allem nicht in den Augen der Brits.

Gwil: Das ist wirklich lächerlich, wir hätten da nicht vertreten sein sollen. Wir haben gerade mal ein Album rausgebracht.

Gus: Wer hat das gewonnen? Ich glaube Mumford & Sons oder? Klasse, warum auch nicht?! Sie haben so viel mehr erreicht als wir.

Gwil: Die haben wirklich ihr erstes Album mit dem zweiten zementiert, was eine tolle Leistung ist.

Vor der Verleihung hat jemand von euch auf dem roten Teppich gesagt, dass die Band zwar bekannt ist, ihr als Personen aber nicht. Wie hat sich dieses seltsame Ereignis denn dann für euch angefühlt?

Gus: Also ich habe mich total am fehl am Platz gefühlt. Bis auf unsere Fans erkennen uns die Leute einfach nicht. Dort dann aus dem Auto auszusteigen und einfach nicht erkannt zu werden, war seltsam. (allgemeines Lachen)

Thom: Man fühlt sich durchschnittlich unter den ganzen Stars dort. Das ist aber gar nicht schlimm, eigentlich ist es sogar ganz gut.

"Bei uns geht es um die Musik, nicht um die Gesichter."

Habt ihr oder hättet ihr euch gewünscht dort jemanden zu treffen, der euch nachhaltig beeinflusst hat?

Gwil: Naja, wenn man Leute trifft, die für die musikalische Entwicklung so wichtig waren, ist es schwierig normal zu bleiben. Man kann ja nicht einfach fragen: "Wie fühlt es sich an Bloc Party zu sein?" Die sind ja auch nur Menschen, die sich ganz normal unterhalten wollen. Deshalb weiß ich nicht genau, was ich aus so einem Treffen mitnehmen sollte. Eine tiefere Unterhaltung ist wegen solcher sozialer Zwänge meist gar nicht möglich.

Du trennst also die Person in deinem Kopf von der, die in diesem Moment vor dir steht?

Gwil: Ja, auf jeden Fall sollte man sich keine Gedanken um diese Person vor einem machen.

Thom: Dave Grohl stand irgendwann an diesem Abend vor mir. Ich war früher der größte Nirvana-Fan der Welt, aber ich wusste, dass ich nicht einfach zu ihm gehen und ihn damit volllabern konnte. Es wäre ihm gar nicht möglich gewesen, das nachzuvollziehen. Wahrscheinlich hätte er dazu nicht mal etwas sagen können.

Apropos Einflüsse: Wie sehr hat euch euer Kunststudium beeinflusst, das drei von euch abgeschlossen haben? Ich denke da vor allem an das Video zu "Tessellate", das an Raffaels Die Schule von Athen angelehnt ist.

Gus: Damit hatten wir nicht viel zu tun. Wir sind definitiv sehr an Kunst interessiert, sonst hätten wir nicht dieses Studium abgeschlossen. Es verleiht einem darüber hinaus aber den Ehrgeiz, dass das Beste nicht gut genug ist.

Gwil: Genau, die Disziplin, es immer weiter zu versuchen. Es geht dabei vor allem um das Editieren und neu erschaffen – sich den kreativen Prozess bewusst machen.

Gus: Man erkennt einfach, dass der erste Versuch nicht endgültig ist.

Wie wichtig ist kreative Kontrolle für euch? Ich denke da vor allem an Musikvideos oder das Albumcover.

Gus: Diese Dinge sind total wichtig für uns. Allerdings ist es auch ein Haufen Arbeit, was wir uns vorher nicht hätten träumen lassen. Beim Unterschreiben des Plattenvertrags bestanden wir darauf, alles abzusegnen, was unseren Namen trägt. Jetzt haben wir aber den Stress und müssen rund um die Uhr amerikanische Merch-Designs oder japanisches Poster-Artwork absegnen. Jetzt versteht man, warum so etwas vielen Bands egal ist.

Wir müssen uns wirklich dran erinnern, warum wir das eigentlich wollen. Dann bekommt man aber wieder einen furchtbaren Entwurf vorgesetzt und versteht: Ach ja, deshalb legen wir so viel Wert darauf! (lacht)

Gwil: Da wären sonst einige komische Sachen unterwegs, die genau das Gegenteil von dem vermitteln, für das wir stehen.

"Das Dreieck bedeutet uns eigentlich gar nichts."

Die Kunst hat euch sicherlich einen gewissen Sinn für Symbolismus antrainiert. Könnt ihr etwas zu dem Dreieck-Schema sagen, dass ja in vielerlei Hinsicht bei euch sichtbar wird.

Gwil: Das Dreieck bedeutet uns eigentlich gar nichts. Wir entschieden uns für diesen Bandnamen, weil er sich toll auf Postern und CDs machen würde. Erst viel später hörten wir, dass es Teil einer coolen Hipster-Kultur geworden war, was aber nichts mit uns zu tun hat. Vermutlich denken viele Leute, dass wir uns im Zuge dieser Kultur so genannt haben. Das fühlt sich sehr komisch an.

In einer schönen Einleitung zur Review eures Debüts spricht meine Kollegin vom metaphorischen Wert der Welle, die sich im Titel des Albums widerspiegelt. Wie weit interessiert euch hier das Symbolische?

Gus: Ich weiß nicht, ob es eine Metapher für irgendetwas ist. In erster Linie ist es ein Zitat aus dem Roman American Psycho von Bret Easton Ellis. Es geht dabei um eine Art Erleichterung, die einen umhaut wie eine Awesome Wave. Wir haben die Zeile im Song "Bloodflod" verarbeitet und fanden sie als Albumtitel sehr griffig und passend. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass da auf keinen Fall mehr drinstecken könnte.

Gwil: Ich habe bemerkt, dass viele Kritiker unterschiedliche Assoziationen mit einer Art Wasser-Thema haben. Ich mag den Titel sehr, weil Wellen so vielseitig auslegbar sind. Man kann da von Tonwellen bis zu emotionalen oder Energiewellen gehen.

Wir hätten das Album fast nicht so genannt. Mein Vater meinte, dass der Titel viel zu arrogant klingen würde (lacht).

Abschließend noch eine Frage zum Thema "das erste Album zementieren" wie ihr es vorhin bei Mumford & Sons so schön beschrieben habt. Gibt es schon Pläne und Ideen für ein zweites Album?

Gwil: Wir alle denken gerade sehr viel an das zweite Album.

Gus: Es gibt einige Songs, die halb geschrieben sind, die wir aber aus zeitlichen Gründen nicht ausarbeiten können.

Thom: Ich bin auf jeden Fall sehr scharf darauf. Es ist das einzige, was ich im Moment tun möchte. Klar, das Tourleben ist klasse, aber man bekommt schnell das starke Verlangen, etwas Kreatives zu erschaffen. Irgendwie ist es aber bestimmt auch gut, so hingehalten zu werden.

In dieser Vorfreude, die sich über Monate zieht, kann man teilweise tolle Ideen entwickeln. Außerdem verbessert man seine Fähigkeiten am Instrument, wenn man auf Tour ist. Wir sind alle hundertmal besser als zu dem Zeitpunkt, als wir angefangen haben.

Wollt ihr für das Folgealbum etwas verwirklichen, was ihr bei "An Awesome Wave" nicht geschafft habt?

Gus: Nein, eigentlich nicht. Mir persönlich wäre es am wichtigsten, dass wir einen interessanten Ort zum Aufnehmen finden. Ich will kein klinisches Aufnahmestudio, sondern einen Ort, der sich nach Zuhause anfühlt.

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