laut.de-Kritik

Die Rosenstolz-Sängerin schlägt den richtigen Pfad ein.

Review von

Man kann das klicken der Tastaturen formlich in der Ferne hören. Wütend tippern die Empörten ihren Unmut ins Netz. Die Rosenstolz- und Gleis 8-Sängerin AnNa R. hat es gewagt, ihrem neuen Album mit "König:in" einen Titel in geschlechtsneutraler Sprache zu geben. "Jetzt gendert die auch noch! Von der kaufe ich nichts mehr!" Dabei will sie mit dem Titel nicht einfach nur diese Schreibweise aufgreifen, sondern auch auf den Fehler in dieser hinweisen. Denn auch hier steht an erster Stelle der König, der Mann.

Überhaupt fällt auf, dass Neuenhofen nun wieder viel mehr zu sagen hat, als noch zu Zeiten von den nun seit fast elf Jahren im Pausenmodus befindlichen Rosenstolz. Gegen Ende verkamen deren Texte zu einem Wettbewerb des besten gesungenen Wandtattos. Sie wurden zur Keimzellen dessen, was uns heute in Form von Bourani, Forster oder Lotte überkommt.

Während Peter Plate gemeinsam mit Ulf Leo Sommer hinter den Kulissen sehr schnell seinen Platz als umtriebiger Komponist und Produzent für Sarah Connor, Max Raabe und Barbara Schöneberger an Musicals arbeitete, strauchelte R bisher. So wirklich angekommen schien sie mit Gleis 8 nie. Eine nicht greifbare Aura der Trauer umgab sie. Nun sorgte Corona für ein Umdenken. Erstmals veröffentlicht sie unter ihrem eigenen (Künstler:innen-)Namen.

Dabei ändert sich auf den ersten Blick gar nicht so viel. Viele der Lieder stammen noch aus den Arbeiten für ein drittes Gleis 8-Album. Wie auch dort stammen fast alle Stücke von ihr, Manne Uhlig und Timo Dorsch. Aber nun versteckt sich die eigentlich nicht gerne im Mittelpunkt stehende Sängerin nicht mehr und wagt diesen einen Schritt mehr ins Rampenlicht.

Das bedeutet längst noch nicht, dass hier alles gut ist, dass sie abstreift, was sich über viele Jahre eingenistet hat. "Über Stock, über Stein / Auf 'nem Seil, auf einem Bein / ... / Durch einsame Gassen / Und durch jubelnde Massen / ... / Hauptsache wir sind niemals da", singt AnNa R. im Opener "Hinterm Mond". Textlich sicher alles andere als das Gelbe vom Ei, holt der Song aber viel durch sein Arrangement und die hektische Rhythmusgruppe raus.

Ja, auch in "Chaos & Symmetrie" wird munter gerosenstolzt und von dem mit Henning Wehland (H-Blockx) gesungenen Duett "Augen Zu" wollen wir gar nicht erst reden. Aber wenn "König:in" funktioniert, dann funktioniert es richtig.

So politisch wie in dem Doppelpack "Nicht Meins" und "Meer Voller Seelen" war R zuletzt wohl in "Ja, Ich Will", auf Albumlänge wohl noch nie. Im Ersteren holt sie unverblümt gegen all die rechten Politiker aus, deren Fremdenhass und Intoleranz, die sich leider zunehmend auch außerhalb der AfD finden: "Du sprichst für alle, das ganze Volk / Die anderen sind Verräter / von wem noch mal? / Das Volk von dem du sprichst / Existiert nicht / Wir sind Bürger dieser Welt / Es interessiert nicht / Woher man kommt / Wohin man geht / Wir sind Mensch wo wir sind / Das ist alles was zählt."

Im tief bitteren "Meer Voller Seelen" singt sie nur leise von Klavier, Gitarre und Streichern begleitet über die Flüchtlingsboot-Dramen im Mittelmeer und Atlantik und bittet in direkten Worten um Hilfe für diese Menschen: "Ein Meer voller Seelen / Wird uns niemals vergeben / Wo ist die Liebe? / Wann hört das auf? / Ein Meer voller Seelen / So viele Leben / Wo bleibt unser Herz? Wann hört das auf? / Holt sie da raus." Ein großartiges, ergreifendes Lied zu einem Leid, an dem sich Europa messen lassen muss und kläglich scheitert.

Das verzauberte "Gute Nacht" führt in Moll zu einer Spieluhrmelodie und klassischem Text zurück zu den ganz frühen Rosenstolz. So entwickelt sich auf "König:in" eine Mischung aus AnNa R.s frühen Tagen, ihrer Mainstream-Version und einer neuen, ernsthaften Songwriterin. Gerade von der letzten Version wünscht man sich mehr. Wahrlich gelingt hier nicht alles. Zu oft setzt sie auf leichtverträgliche Radiotauglichkeit. Aber erstmals seit langer, langer Zeit stimmt die Richtung.

Trackliste

  1. 1. Hinterm Mond
  2. 2. Königin
  3. 3. Chaos & Symmetrie
  4. 4. Deine Energie
  5. 5. Nicht Meins
  6. 6. Meer Voller Seelen
  7. 7. Die Astronautin
  8. 8. Ich Warte
  9. 9. Der Sturm
  10. 10. Augen Zu
  11. 11. Ohne Uns
  12. 12. Wieviel Tränen
  13. 13. Gute Nacht

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7 Kommentare mit 49 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Ich stimme vielem zu. Ein schönes Album, durchaus aber auch mit Füllmaterial. "Meer voller Seelen" berührt mich nicht so besonders, "Gute Nacht" dafür umso mehr (basierend übrigens auf Smetanas "Moldau"). "Der Sturm" ist für mich das Highlight, das hier leider unerwähnt bleibt. Ein kluger Text zu mitreißender Musik.

  • Vor einem Jahr

    "Man kann das klicken der Tastaturen formlich in der Ferne hören. Wütend tippern die Empörten ihren Unmut ins Netz."

    Das lustige an dieser Aussage ist, dass man sie nur machen/schreiben kann, wenn man die Empörung der Empörten nachvollziehen kann. Sonst wäre man ja über deren Reaktion überrascht.

    • Vor einem Jahr

      J0nge, ich hab jetzt in knapp zwei Minuten sechs deiner Posts überflogen, und alle richten sich entweder gegen die Grünen oder jubelpersern irgendwelche Gitarrenboomermusik :D
      Lass mich raten: verwaiste und verstaubte Stratocaster irgendwo rumstehen, die du aber bestimmt nochmal irgendwann meistern wirst, großer Pink Floyd/Roger Waters-Fan, Lieblingsfilme von Stanley Kubrick und "auf dein Auto angewiesen"?

    • Vor einem Jahr

      "Das lustige an dieser Aussage ist, dass man sie nur machen/schreiben kann, wenn man die Empörung der Empörten nachvollziehen kann."

      Nö.

    • Vor einem Jahr

      "Das lustige an dieser Aussage ist, dass man sie nur machen/schreiben kann, wenn man die Empörung der Empörten nachvollziehen kann."

      Das ist eine sehr dumme Behauptung. Muss ich nicht erklären, oder?

    • Vor einem Jahr

      Allein wenn man sich "Skeptisch" nennt... :lol:
      Da ist doch sofort klar, dass man auf FB Schwurblerkommentare über die Covid Impfung teilt, Robert Habeck mit Adolf Hitler gleichsetzt und allgemein einfach ein dummes Schwein ist. :ill:

    • Vor einem Jahr

      Er nennt sich skeptisch,
      Schimpft auf Habeck,
      Ich komme mit der Nagelkeule und nehme ihm sein k (car) weg.

    • Vor einem Jahr

      "verwaiste und verstaubte Stratocaster irgendwo rumstehen, die du aber bestimmt nochmal irgendwann meistern wirst, großer Pink Floyd/Roger Waters-Fan, Lieblingsfilme von Stanley Kubrick und "auf dein Auto angewiesen"?"

      Also bis auf den Auto-Quatsch sind das eigentlich Qualitätsmerkmale. Und natürlich bis auf das mit der Strat verstauben lassen, das macht man nicht! Wenn man sie schon nicht spielt, sollte man sie wenigstens von Zeit zu Zeit mit einem feinem Tuch zärtlich entstauben.

    • Vor einem Jahr

      Klar, für die Schwurbelbrigaden ist der Oberschwurbler natürlich ein Qualitätsmerkmal.

    • Vor einem Jahr

      Du verstehst aber schon, dass man ein Pink Floyd-Fan sein kann (immerhin die beste Band der Musikgeschichte), ohne dass man mit Roger Waters persönlichen Ansichten übereinstimmt?

      Außerdem kannst du froh sein, dass es aufgrund deines rücksichtslosen und frechen Nummern-Ripoffs noch nicht zu einer Anzeige gekommen ist, immerhin hast du mein copyright infringed!!

    • Vor einem Jahr

      Theo ist notorisch etwas überfordert mit verstehen.

    • Vor einem Jahr

      Ha, das wird sich ändern, wenn Post von meinem Staranwalt eintrudelt! Der wird ihm das VERSTEHEN schon beibringen!

    • Vor einem Jahr

      Er wolte sich eigentlich Theory69 nennen (nice), hat sich aber vertippt

    • Vor einem Jahr

      Pink Floyd und Kubrik find ich gut, Waters ist mir zu weinerlich, Ibanez anstelle Fender, nicht auf dein Auto angewiesen. Ich freu mich auch jedes mal wenn ich den SLAPCOCK und andere Hobby- oder Salon-Cuppli-Sozialisten triggern kann!

    • Vor einem Jahr

      Wenn man die Empörung nicht nachvollziehen kann, könnte man sie nicht antizipieren, deshalb. Das ist ein wenig so wie wenn Malte-Sören sagt: "He Annalena, red doch mal weniger Blödsinn, sonst denken die Bösen noch, du wärst am Ende nicht so qualifiziert! Und das würde den falschen nützen!"

    • Vor einem Jahr

      Ich kann auch antizipieren, dass jede Menge Menschen heute bei McDonalds essen werden. Das denen das gefällt kann ich auch nicht nachvollziehen. Trottel.

    • Vor einem Jahr

      Und das ist nur ein Beispiel, ich könnte den ganzen Tag Sachen aufzählen, die ich antizipieren, aber nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel, dass du Müll schreibst, Mirko.

    • Vor einem Jahr

      @Radiohead9
      Wo habe ich etwas gegen oder auch nur über Pink Floyd geschrieben?
      Das Capsi hin und wieder Probleme mit dem Lesen hat, wenn sein Beißreflex mal wieder die Oberhand gewinnt, ist ja nicht neu, aber so unklar schreibe ich nun wirklich nicht, dass man denken könnte, mein Kommentar würde sich auf Pink Floyd (oder auf Kubrik oder Autos) beziehen.

    • Vor einem Jahr

      SLAPCOCK fand ich jetzt ganz nice, muss ich gestehen. Allerdings nur, falls wirklich genuin!

    • Vor einem Jahr

      CAPSLOCKFTW ist der pedantische und linksgrünversiffte Kommentator, COCKSLAPWTF der Produzent von MC HOOBEEs Überalbum 17 Uhr Steine (RIP José :( ),SLAPCOCKFTW ist einer der freshen Stiser im Kanal #gromky auf https://webchat.quakenet.org/ und W. FATCOCKPLS ist ein Hacker mit Verbindungen in die Warez-Szene.

    • Vor einem Jahr

      Ich würde dir gern das hier bestellen, hmkay?

      https://www.posterlounge.de/p/655643.html#…

    • Vor einem Jahr

      Vier ganz unterschiedliche Charaktere mit jeweils ganz eigener (neuer) Ausrichtung. Quasi ohne Gemeinsamkeiten, naja, gut, außer das alle vier eine Katze haben, die bettraumproduzierend af ist.

    • Vor einem Jahr

      @CAPSLOCKFTW ich glaube schon dass du nachvollziehen kannst dass Leute McDo mögen, auch wenn du selbst es nicht magst. So viel Einfühlvermögen gestehe ich dir auf jeden Fall zu! Ich meine, du freust dich sicher auch, wenn die Katze genussvoll ihren Food reinzieht, ohne dass man es jetzt selbst essen möchte.

    • Vor einem Jahr

      Es geht darum, ob mensch etwas vorhersagen kann ohne die genaue Ursache nachvollziehen zu können. Und das geht halt und wird von Menschen seit Jahrmillionen gemacht.

    • Vor einem Jahr

      Ich glaube er bleibt Skeptisch.