laut.de-Kritik

Zwischen Amateur-Porno und emotionaler Überforderung.

Review von

Deutschrap differenziert sich weiter aus. 20 Jahre nach dem überschaubar erfolgreichen Versuch Lolitas, das Miami-Bass-Rezept in der XX-Variante zu etablieren, findet die anrüchigere Spielart in weiblicher Form zunehmend Anklang im Mainstream. Allen voran Ikkimel, die eine inkonsistente Message transportiert und schon stimmlich ein Dummchen-Image bedient. "Dumm fickt gut, ich bin dumm wie Stroh", gesteht sie etwa in "Unisexklo". Interessanter wirkt demgegenüber Dea Bbz, die weniger gefügig und explizit feministisch daherkommt, sich aber stets etwas Enigmatisches erhält.

Yung FSK18 wirkt greifbarer, dreidimensionaler und ist zugleich voller Widersprüche. Sie bringt wollüstige Texte zu Papier, denen aber fast jeder Hedonismus abgeht. Auf den ersten Blick scheinen Amateur-Pornos einen größeren Einfluss auf sie ausgeübt zu haben als Musik, dabei kann sie auf eine lupenreine Hip Hop-Sozialisation inklusive Graffiti zurückblicken. Sie ist rhetorisch auf der Höhe, spricht und rappt jedoch mit einem starken Soziolekt. Eine "geile Asi-Braut" eben, wie sie sich selbst einst in "Samenraub" grölend charakterisierte. "Lost Vegas" ist ihre zweite, von Audiolith Records betreute EP.

Ein harmonisches Duo bildet die ostdeutsche Rapperin zum Einstieg mit Dea Bbz in "Drück". Produzent Brauer schiebt mit seinem Hardcore-Instrumental dem Titel entsprechend jeden Widerstand beiseite, wobei er sich einen wehmütigen Kern bewahrt. Diese im Song eher versteckte Sehnsucht verstärkt das dazugehörige Video von Shinpuc, das Yung FSK18 und ihre Mitstreiterin auf einem Roadtrip begleitet. Ästhetisch hätte es sich dabei vor einigen Jahren um einen Viva-Werbespot handeln können, der eine unbeschwerte Jugend in ihrer Freiheitsliebe adressiert, um Alkopos an den Mann zu bringen.

Mischgetränke verfehlen bei den Rapperinnen allerdings ihre Wirkung. "Lost Vegas" dreht sich nämlich in erster Linie um betäubte Gefühlswelten. Entsprechend stark müssen Reize ausfallen, um überhaupt von ihnen wahrgenommen zu werden. "'Wie viel Scoville?' Ich sage, 'ja'", rappt Yung FSK18 mit Blick auf die Schärfe-Skala. Bei ihr muss es schon die "Carolina Reaper" sein, die schärfste Chili-Schote der Welt. Geschwindigkeit? "200 km/h." Zumindest endet das Video beschaulich, indem sich die beiden zufrieden umarmen, die Sonne untergeht und eine Akustikgitarre den wuchtigen Beat vertreibt.

Die Gegenrichtung schlägt "Las Vegas" ein. Brauer eröffnet mit Gitarre, ergänzt ein Glockenspiel, sodass eine geradezu bäuerliche Atmosphäre entsteht, in der selbst das Unschuldslamm Nicole Frieden fände. Dann grätscht der elektronische Teil in die Idylle und trockenes Stroh weicht feuchten Pubes. "Fick mich, bis ich abspritze", lautet die wenig verklausulierte Aufforderung, "Wir sehen aus wie Engel, doch ficken wie die Karnickel." Ihre Lippen passen farblich zum Kontostand, die Nägel zu den Schamlippen. Wenn dann noch der fipsige Refrain einsetzt, versinkt der ganze Song etwas im Chaotischen.

Und doch flechtet Yung FSK18 selbst in das Tohuwabohu von "Las Vegas" Zeilen ein, die aufhorchen lassen. "Wollt' doch nur geliebt werden, aber kanns kaum aushalten", zeugt von ihrer emotionalen Überforderung, die sich im hörbarsten Stück "Lil Perv" besonders deutlich Bahn bricht. Ihren sonst eher abgehackten Flow tauscht sie gegen einen gehauchten Vortrag ein, der sogar im hektischen musikalischen Umfeld stets Bedauern transportiert. "Nie wird man sich wiedersehen, aber es ist auch OK. Die Nacht mit dir war traumhaft schön, doch Baby, ich muss arbeiten. Habe keine Tränen mehr."

Als emotional abgestumpft offenbart sie sich auch im abschließenden "Hips Don't Lie". "Ich bin still, bis du mir zeigst, was wahre Liebe ist." Auf einmal wirkt es so, als diene das Körperliche vor allem der Flucht aus der Taubheit. "Keiner braucht den anderen, doch was du machst, gefällt mir und dir auch - leg' Hand an." Brauer taucht dazu aus der Zwischenwelt von House und Hardcore auf, um von der innewohnenden Tristesse abzulenken. Ja, die Gegensätzlichkeit ist offensichtlich, aber sie gehört auch zum Konzept: "Es ist so scheiße und so schön, ein Mensch zu sein, ertrag' die Widersprüche."

Trackliste

  1. 1. Drück (mit Dea Bbz)
  2. 2. Las Vegas
  3. 3. Lil Perv
  4. 4. Hips Don't Lie

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