laut.de-Kritik
Verspielte Elektronik und dufte Töne.
Review von Jasmin LützRunde Geburtstage findet Andreas Dorau doof. Man grübelt und kommt auf komische Gedanken. Da ist er an seinem 60. Geburtstag doch lieber den ganzen Tag beschäftigt und versteckt sich hinter seiner neuen Platte "Im Gebüsch". So ganz ohne Gratulanten geht das aber nicht, und deshalb steht er an seinem Ehrentag auf der Bühne in Hamburg. Bei diesem Konzert kann Dorau seine neuen Songs performen und muss sich nicht unbedingt unterhalten und auch keine Häppchen reichen. Kochen mag er sowieso nicht.
Wir wünschen ihm auf jeden Fall alles Gute und herzlichen Glückwunsch zum neuen runden Album. Da sind wieder kolossale Elektro-Popstücke drauf, und es wird sogar in Englisch gesungen. Das gab es wohl noch nie. Es handelt sich dabei um Touristen-Englisch, so bezeichnet Dorau das himself, und wie das klingt hört man in der ersten Singleauskopplung. "Mein Englischer Winter". Andreas mag die Jahreszeit am liebsten. Frühling ist ok, Sommer geht gar nicht. Im Herbst wird es dann schon besser und der Winter ist einfach ganz wunderbar.
Dabei klingen die Songs oft unermüdlich sommerlich. "Ich Sein" könnte auch an einem ersten warmen Sommertag entstanden sein. Die Vögel zwitschern, die Glückshormone tanzen, aber natürlich ist der Sound wetterunabhängig. Die Texte entstehen meistens erst im Studio. Davor schreibt Dorau alle Notizen und Beobachtungen in sein Handy, vielleicht liegt irgendwo auch noch ein bekritzelter Zettel.
"Auf Der Weidenallee" schwingt man sofort im Takt mit und muss dabei aufpassen, seinen Becher Kaffee nicht zu verschütten. Bei Doraus Songs vergisst man tatsächlich seine Sorgen, und auch wenn er Sonne und Hitze nicht mag, der Sommer-Hit 2024 steht hiermit schon mal fest. Verspielte Elektronik und dufte Töne. Immer wieder zieht ein Hauch von Melancholie durch den heiteren Beat. "Die Welt Ist Ein Seltsamer Planet". Allerdings.
Gedanken, Emotionen, einprägsame Zeilen findet man immer bei Dorau-Songs. Nicht zu viele Worte, damit man sich den Text auch besser merken kann ("Ich Bin Nicht Ich"). Refrains wie "Das sind nur Worte und Noten. Das ist nur Musik. Das ist Musik. Geschrieben von Idioten. Doch es ist nur Musik." Und schon hat man wieder einen Lieblingssong ("Das Ist Musik"). Die Kunst, Dinge mit nur wenigen Worten zu erklären, das gab es in dieser Form zuletzt auf Doraus Album Das Wesentliche von 2019.
Auch ein paar musikalische Gäste hat Andreas zu seinem Geburtstagsalbum eingeladen. Brezel Göring und Güner Künier singen mit bei "Rainy Days In Moscow". Da ist es wieder, dieses Touristen-Englisch, dazu ein schwungvoller Rhythmus und postmoderne Synthie-Pop-Melodien mit einer tieferen Message. In der Kürze liegt die Würze, das ist das Geheimnis von Andreas Dorau. Zwischen Retro und Reality, langweilig wird sie nie. Beim Tatort schläft man immer ein, "Im Gebüsch" tanzt man den ganzen Winter durch, bis zum nächsten runden Geburtstag!
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