laut.de-Kritik
Heimatkitsch und Balzgehabe.
Review von David BaldysiakZunächst kurz die Eckdaten: Andreas Gabalier feiert sein zehnjähriges Jubiläum, dazu spielt er ein dreistündiges Konzert im Olympiastadion München mit knapp 70.000 Besuchern, und herausgekommen ist: ein beschissenes Livealbum. Man kann Gabalier ja für reaktionär, sexistisch oder homophob halten. Darüber sollte man aber nicht vergessen, dass er auch wirklich grottige Musik macht.
"Volks-Rock'n'Roll", so hat er seinen Musikstil getauft und sieht sich damit alleine auf weiter Flur. Ein Glück, kann man da nur sagen, wenn man sich anhört, was dieser Begriff fassen soll. Gabalier hat drei inhaltliche Versatzstücke: Madln, die Dirndl tragen in der Steiermark, die gute alte Zeit in der Steiermark, als die Madln noch Dirndl trugen, und die Steiermark. Dabei ist es ihm immer ganz wichtig, als richtiger, echter Kerl dazustehen. So rät er gerne Dinge wie, dass ein Mann ab und zu mal an der Theke im Wirtshaus stehen müsse, "weil unser Verlangen ist ein andres als der Damen" ("Der Frühwirth").
Musikalisch soll das Ganze wohl nach Blues oder Classic Rock klingen, aber weil Gabalier auch beim Schlagerboom auftreten muss und sich mit seinen E-Gitarren deshalb nicht zu weit aus dem Fenster lehnen darf, tönt alles so schlapp und unoriginell wie die Coverband, die Onkel Heinz mit Jürgen und Rolf in seiner Männerhöhle gegründet hat, um schales Bier zu trinken und über seine Ehefrau herzuziehen.
Nun ist das Ganze ein Livealbum. Für das Konzert im Olympiastadion hat sich Gabalier eine Big Band mit allem Drum und Dran engagiert. Brass-Section, E-Gitarren und Backgroundchöre dürfen sein Liedgut begleiten, ab und zu klimpert er auch selbst noch auf dem Akkordeon herum oder singt eben Zeilen wie "Wenn die Obersteirer kumman dann tscheppat da Goarn, wei a jedes Madl mechat mit an Obersteirer foan." So geht das zweieinhalb Stunden.
Die einzelnen Musiker verstehen ihr Handwerk bestimmt, bei belanglosen Kompositionen wie diesen können aber auch sie wenig ausrichten. Nach allerspätestens einer Viertelstunde hat sich das Ganze in einen einzigen Soundbrei verwandelt, die Aufmerksamkeit kommt erst dann wieder, wenn es besonders gruselig wird. Zum Beispiel wenn Gabalier seinem größten Hit "Hulapalu" einen Rap-Part hinzufügt und mit seinem grenzdebilen Gestottere auf alle Assoziationen an interessante Popmusik, die der österreichische Dialekt dank Falco, Bilderbuch und Konsorten hervorruft, einen dunklen Schatten wirft.
Das Publikum reagiert allerdings begeistert, klatscht wirklich alles mit, auf Aufforderung wird aus voller Kehle mitgesungen. Von allen. Gabalier steht zwar meist auf einem Steg inmitten der Zuschauer, interagiert aber nicht so viel mit seinen Anhängern, wie es sich von einem echten Volks-Rock'n'Roller erwarten ließe. Einmal wagt er sich aber doch vor bis an den ersten Wellenbrecher. Während er "Wo Immer Du Auch Bist" singt, schüttelt er die Hände seiner Fans, posiert für Selfies und hebt zwei kleine Mädchen über die Absperrung, um sie da dann bedröppelt stehen zu lassen. Die Besucher rasten standesgemäß aus. Ansonsten spult Gabalier sein Programm routiniert ab, ein großer Unterschied zu den Studioalben lässt sich dabei nicht ausmachen.
Wie gesagt, haben alle Lieder mehr oder weniger dasselbe zum Thema. Manche Nummern sind allerdings so übertrieben auf Heimatliebe und Nostalgie getrimmt, dass sie wie eine Selbstkarikatur wirken. So zum Beispiel "Dahoam", wenn Gabalier ohne Unterbrechung irgendwelchen Heimatkladderadatsch aufzählt und in bester Laune zu dem Schluss kommt: "Des is dahoam".
Übel ist auch "Sweet Little Rehlein", in dem selbst ein harmloses Lied über ein Reh auf einer Weide einen befremdlichen Altherren-Balz-Charakter bekommt. Es gibt auch Songs, die einfühlsam oder tiefgründig klingen sollen ("Bis Du Einschlafen Kannst", "Du Bist Licht In Meinem Leben"). Leider erscheinen auch diese so kalkuliert und lieblos, dass man sich nicht an sie erinnern kann, sobald sie vorbei sind.
Die Querfront-Ballade "A Meinung Haben" verdient gesonderte Hervorhebung, da hier die ganze Ironie, die bei Gabaliers Auftritt in München mitschwingt, handfest zu greifen ist: Da singt einer vor Tausenden von Leuten in Dirndln und Lederhosen darüber, wie schade es doch sei, dass die Leute heute keine Lederhosen und Dirndl mehr tragen. Da beschwert sich einer, Männer dürften keine echten Männer mehr sein, und lässt sich dafür feiern, wirklich jedes begraben geglaubte Macho-Klischee ganz unironisch wieder aufleben zu lassen. Und dann singt er allen Ernstes: "Is des der Sinn einer Demokratie? Dass ana wos sogt, und die andern san stü?" Vor 70.000 Leuten, die wirklich alles mit tosendem Applaus und Gejohle goutieren, das der vermeintlich politisch Geächtete da oben so von sich gibt.
Einen Lichtblick gibt es ganz am Ende doch noch: Gabalier wünscht sich eine kirchenhafte Atmosphäre im Olympiastadion, es wird still. Dann singt er "Amoi Seg' Ma Uns Wieder". Den Song hatte er im Andenken an an seinen Vater und seine Schwester geschrieben, die sich beide umgebracht haben. Nach der zweiten Strophe singt das Publikum den Refrain alleine und sorgt so tatsächlich noch für einen emotionalen, ja, einen sehr schönen Moment. Leider macht die Zugabe das sofort wieder zunichte: Gabalier wiederholt den Song in einer verkitschten Bluesgitarrenversion.
Es gibt wirklich nur einen einzigen Grund, dieses Album zu hören: Du bist Praktikant, und die Kollegen aus der Redaktion schieben dir die Aufgabe zu, eine Review darüber zu schreiben.
14 Kommentare mit 34 Antworten
Ein Österreicher mit schmierigen Haaren, der in München mit einfachen Botschaften die Massen elektrisiert. Sowas ging noch nie gut aus...
Der Hitler Vergleich ist nicht groß genug, da geht noch was
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Früher waren eure verisse noch keine Karikatur von euch selbst /ihr feiert euch hart selbst statt die mucke noch genauer auseinander zu nehmen
"Es gibt wirklich nur einen einzigen Grund, dieses Album zu hören: Du bist Praktikant, und die Kollegen aus der Redaktion schieben dir die Aufgabe zu, eine Review darüber zu schreiben."
Lüg doch net!!1! hast doch wohl deine kollegen mit nem schalen ganter bestochen, dass du über d1 lieblingsalbum schreiben darfst. rofl.
Das sich der Mensch Rock´n´Roller schimpft lässt garantiert alle echten Rock´n´Roller im Grab rotieren
Chuck Berry
Bill Haley
Jerry Lee Lewis
Little Richard
Eddie Cochran
Richie Valens
ect.
Wer sich zuerst mit Bushido und dann mit Gabalier beschäftigt hat auch kein ernsthaftes Interesse an Musik, oder?
also chuck berry war eine extrem perverse sau. der dürfte andere probleme haben als gabalier, der V'n'R sein möchte
https://www.vice.com/es_latam/article/pp9n…
also nur falls es metaphysische gerechtigkeit gibt natürlich
Er singt immer alsob er am "Häusl" sitzt. Ich glaub, damit können sich viele Fans identifizieren.