laut.de-Kritik

Fulminanter Prog-Diamant, unter Druck und Hitze gereift

Review von

Dass sich progressive Mucker bei der musikalischen Selbstfindung an Meshuggah oder Dream Theater abarbeiten, sollte nicht weiter verwundern. Man hält sich gewöhnlich an bekannte Hausnummern. Wenn aber auf einmal die Tür aufgeht und eine Formation wie Animals As Leaders quasi aus dem Off herein stürmt, bleibt dem frickel-affinen Hörer trotz aller Vorbildung erst einmal die Kauleiste offen stehen.

Was das Trio aus Washington DC auf seinem Zweitling abfeiert, dürfte mit einem Schlag als Alleinstellungsmerkmal gelten und sie von sämtlichen Vergleichen - auch wenn sie naheliegend sein mögen - befreien. Gitarrist Tosin Abasi und seine zwei Mitstreiter liefern mit "Weightless" ein Instrumental-Album ab, das sich trotz Verwendung bekannter Ingredienzen einer Kategorisierung vehement verweigert. Der Kunstbegriff 'Djent' taugt genauso wenig als Beschreibung wie etwaige andere Kniffe aus der Typisierungs-Schublade.

Auch Saitenhexer Steve Vai meint, dass wir es bei Animals As Leaders schlicht und ergreifend mit der Zukunft der instrumentalen Gitarrenmucke zu tun haben. Was AAL-Gitarrist Tosin und seine beiden Jungs von anderen Musikern unterscheidet, ist gar nicht einmal so sehr das handwerkliche Können. Vielmehr glänzt das Trio mit Kompositionen, die in sich derart stimmig sind, dass man im Sound des Dreiers aufgehen mag. Jazz, Metal, Elektro-Noise, alles vereint sich im Kosmos von "Weightless" zu einem wahren Instrumental-Monster, das den Vergleich mit den eingangs genannten Kapellen zu keiner Zeit zu scheuen braucht.

Im Gegenteil. Dort, wo sich Dream Theater seit geraumer Zeit nur noch in selbstverliebter Onanie und Selbstpagiaten ergehen, setzen Animals As Leaders einen wunderbar unangepassten Kontrapunkt, der Rhythmik, Aggressivität, Verspieltheit und handwerkliches Können in einem wunderbaren Juwel vereint. "Odessa" gibt in dieser Hinsicht das Paradebeispiel ab. In fein austarierten Schüben entwickelt sich die Nummer zu einem fulminanten Prog-Diamanten, unter Druck und Hitze gereift: Nicht nur des Mädels bester Freund.

Platz für Melodien bleibt jedoch immerzu. Selbst das verstörend vor sich hin hämmernde "Earth Departure" findet im Mittelteil das harmonieträchtige Gleichgewicht. Die Bedrohung löst sich allmählich auf. Die jazzigere Schlagseite, die noch das Debüt auszeichnete, macht vermehrt einer aggressiveren und düstereren Ausrichtung Platz. Die Produktion lässt kaum Platz für Meckereien. Ein deftiges basslastiges Brett fahren die Jungs da auf, das all Diejenigen zufrieden stellen sollte, denen der Sound des Erstlings noch etwas schwachbrüstig war und die ein Faible für Magengrummeln erzeugende Tiefton-Eskapafen haben.

Trackliste

  1. 1. An Infinite Regression
  2. 2. Odessa
  3. 3. Somnarium
  4. 4. Earth Departure
  5. 5. Isolated Incidents
  6. 6. Do Not Go Gently
  7. 7. New Eden
  8. 8. Cylindrical Sea
  9. 9. Espera
  10. 10. To Lead You To An Overwhelming Question
  11. 11. Weightless
  12. 12. David

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LAUT.DE-PORTRÄT Animals As Leaders

Der Name Animals As Leaders ist untrennbar mit dem von Tosin Abasi verbunden, einem Autodidakten an der Gitarre. Mit seinem Spiel zieht er alle Register, …

11 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Die Musikerseele ist balsamiert mit diesem Album. Wie bereits in der Rezension angedeutet, lebt dieses Album trotz Ausnahmekönner von seinen SONGS - etwas, was den meisten "Musik, um zu zeigen, wie geil wir technisch drauf sind"-Bands beinahe vollkommen fehlt. Bin jedenfalls seit letzten Freitag ziemlich glücklich mit diesem Instrumentalwerk.
    EDIT: Schade, dass der Silberling in der herbstlichen Veröffentlichungsflut so verloren geht, hätte die Rezi beinahe selbst nicht entdeckt.

  • Vor 12 Jahren

    an dieser Stelle möchte ich wärmstens die Sachen von Cloudkicker empfehlen. Die gibts kostenlos auf dessen Webseite. Vor allem die EP 'Portmanteau' ist traumhaft.